Heidi Klum - Chamäleongesicht. Biographie (German Edition)
vielleicht als Hohn empfinden. Wieder hat man den Eindruck, dass die „schönste Frau der Welt“ zur Minderung etwaiger Neidgefühle darauf hinweisen möchte, dass auch sie nicht immer perfekt war. Dass ihr nicht alles im Leben zugeflogen ist. Und freilich wird sie den einen oder anderen Pickel gehabt haben, aber das scheinen eher kurzzeitige oder wenig ausgeprägte Phänomene gewesen sein. Das kann man auch hier von den Kinderfotos ablesen, die in ihrem Buch abgedruckt sind. Man erfährt es aber auch aus einem Interview, das sie im Jahr 2003 dem Journalisten Moritz von Uslar gab, als sie längst ein Weltstar war. Direkt auf einen Spitznamen angesprochen, den sie in der Schule gehabt hätte, antwortet sie: „Kein Spitzname. Es hieß immer nur: Heidi, wo ist der Almöhi. Wo hast du den Peter gelassen?“ Als von Uslar dann nachhakt: „Haben Sie sich das mit dem Pickelgesicht ausgedacht, damit man Ihnen Ihr flashendes Aussehen heute nicht so übel nimmt?“ wehrt sie allerdings ab. Ausgedacht nicht. Aber es sieht schon so aus, dass Heidi sich aus einigen wenigen Schmähungen, wie sie in dem Alter ja an der Tagesordnung sind, die Geschichte eines Spitznamens zusammengezimmert hat, der so nie zugetroffen hat. Natürlich hat sie Pickel gehabt, wie die meisten Teenager. Aber womöglich – und hier wird die Sache interessant - hat sie diese Pickel auch als schlimm empfunden, da sie schon als Kind die Perfektion gesucht und gebraucht hat, die sie später berühmt machen wird. Denn unsere Faszination mit Heidi Klum begründet zu großem Teil auf der Frage: „Wie schafft die das?“ Kindheit aber ist letztendlich auch das Gegenteil von Perfektion. Alles ist in Fluss, und es ist alles noch halb fertig, nicht ausgegoren, nur angelegt. In dieser Phase, so glücklich sie auch gewesen sein mag, kann sich Heidi noch nicht erkennen, denn diese Lebensphase kann ihrem Anspruch an sich selbst nicht genügen. Das betrifft auch ihre Attraktivität für Jungs. Wenn sie sich später durchaus in der Aufmerksamkeit aalt, die ihr Männer tagtäglich schenken, scheint sie an ihrer Kindheit auch zu stören, dass sie noch wenig begehrt war, und das durchaus, weil sie es damals selbst noch nicht angelegt hatte, sich in ein Objekt der Begierde zu verwandeln. Wenn Heidi also später in ihrem Buch resümiert: „Ich war ein Spätzünder, aber ich hatte durchaus hin und wieder einen Freund und auch sonst ein ziemlich normales Leben“, dann ist es gerade das, was sie stört: Ihre Durchschnittlichkeit.
Die Kindheit wird auch davon geprägt, dass sie keine gute Schülerin ist und sich im Gymnasium Herkenrath, auf das man sie aufgrund guter Ergebnisse in der Grundschule geschickt hat, nicht wohl fühlt. Das Gymnasium listet sie heute auf seiner Webseite als Abgängerin, doch der Aufenthalt dort scheint nur eine Episode gewesen zu sein und wird von Heidi in ihren öffentlichen Äußerungen nicht erwähnt. Der Teenagerin wird klar gewesen sein, dass sie keine Laufbahn als Akademikerin anstreben sondern eher so etwas Ähnliches wie ihre Mutter machen wird. Etwas, das mit Schönheit zu tun hat. Vor allem aber etwas, mit dem sich Geld verdienen lässt. Gute Noten zählen hier nur in Hinblick darauf, was sich damit einmal anfangen lässt. Diese pragmatische Einstellung wird Heidis Leben prägen und auch die Basis ihrer Jurorentätigkeit bei Germany's Next Topmodel bilden. Intelligenz ist nicht dazu da, Eindruck zu machen, sondern um damit Ergebnisse zu erzielen. Heidis spätere Karriere zeigt, dass sie hellwach und interessiert immer dann ist, wenn es darum geht, sich selbstbestimmt und oft auch unter Bruch von Konventionen Vorteile zu verschaffen. Auf gute Noten zu büffeln und vor Lehrern zu katzbuckeln ist ihre Sache nicht. Wodurch aber kann sie sich sonst als Schülerin Selbstwertgefühl verschaffen? Es ist kein Geld da, das es erlauben würde, Markenklamotten spazieren zu führen. Dass sie in der Schule eher durch ihre verschiedenen Haarfarben auffällt als durch andere Qualitäten, zeigt einerseits, dass sie trotzdem ein natürliches Selbstbewusstsein hat wie viele gut aussehende Menschen. Andererseits aber ist es der Versuch, aus Normen auszubrechen, durch Kreativität auf sich aufmerksam zu machen. Heidi wird später sagen, dass es als Tochter einer Friseurin ganz natürlich gewesen sei, als Teenager viele verschiedene Haarmoden auszuprobieren. Sie habe zum Teil grotesk ausgesehen, aber es machte auch Spaß. Und so sieht man, wie Heidi von
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