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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Spyri
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Heidi.
    “Du bist aber ein kurioses Kind!”, fuhr jetzt Klara auf. “Man hat dich ja express nach Frankfurt kommen lassen, dass du bei mir bleibest und die Stunden mit mir nehmest, und siehst du, es wird nun ganz lustig, weil du gar nicht lesen kannst, nun kommt etwas ganz Neues in den Stunden vor. Sonst ist es manchmal so schrecklich langweilig und der Morgen will gar nicht zu Ende kommen. Denn siehst du, alle Morgen um zehn Uhr kommt der Herr Kandidat, und dann fangen die Stunden an und dauern bis um zwei Uhr, das ist so lange. Der Herr Kandidat nimmt auch manchmal das Buch ganz nahe ans Gesicht heran, so, als wäre er auf einmal ganz kurzsichtig geworden, aber er gähnt nur furchtbar hinter dem Buch, und Fräulein Rottenmeier nimmt auch von Zeit zu Zeit ihr großes Taschentuch hervor und hält es vor das ganze Gesicht hin, so, als sei sie ganz ergriffen von etwas, das wir lesen; aber ich weiß recht gut, dass sie nur ganz schrecklich gähnt dahinter, und dann sollte ich auch so stark gähnen und muss es immer hinunterschlucken, denn wenn ich nur ein einziges Mal herausgähne, so holt Fräulein Rottenmeier gleich den Fischtran und sagt, ich sei wieder schwach, und Fischtran nehmen ist das Allerschrecklichste, da will ich doch lieber Gähnen schlucken. Aber nun wird’s viel kurzweiliger, da kann ich dann zuhören, wie du lesen lernst.”
    Heidi schüttelte ganz bedenklich mit dem Kopf, als es vom
Lesenlernen hörte.
    “Doch, doch, Heidi, natürlich musst du lesen lernen, alle Menschen müssen, und der Herr Kandidat ist sehr gut, er wird niemals böse, und er erklärt dir dann schon alles. Aber siehst du, wenn er etwas erklärt, dann verstehst du nichts davon; dann musst du nur warten und gar nichts sagen, sonst erklärt er dir noch viel mehr und du verstehst es noch weniger. Aber dann nachher, wenn du etwas gelernt hast und es weißt, dann verstehst du schon, was er gemeint hat.”
    Jetzt kam Fräulein Rottenmeier wieder ins Zimmer zurück; sie hatte Dete nicht mehr zurückrufen können und war sichtlich aufgeregt davon, denn sie hatte dieser eigentlich gar nicht einlässlich sagen können, was alles nicht nach Abrede sei bei dem Kinde, und da sie nicht wusste, was nun zu tun sei, um ihren Schritt rückgängig zu machen, war sie umso aufgeregter, denn sie selbst hatte die ganze Sache angestiftet. Sie lief nun vom Studierzimmer ins Esszimmer hinüber, und von da wieder zurück, und kehrte dann unmittelbar wieder um und fuhr hier den Sebastian an, der seine runden Augen eben nachdenklich über den gedeckten Tisch gleiten ließ, um zu sehen, ob sein Werk keinen Mangel habe.
    “Denk Er morgen Seine großen Gedanken fertig und mach Er, dass man heut noch zu Tische komme.”
    Mit diesen Worten fuhr Fräulein Rottenmeier an Sebastian vorbei und rief nach der Tinette mit so wenig einladendem Ton, dass die Jungfer Tinette mit noch viel kleineren Schritten herantrippelte als sonst gewöhnlich—und sich mit so spöttischem Gesicht hinstellte, dass selbst Fräulein Rottenmeier nicht wagte, sie anzufahren; umso mehr schlug ihr die Aufregung nach innen.
    “Das Zimmer der Angekommenen ist in Ordnung zu bringen, Tinette”, sagte die Dame mit schwer errungener Ruhe; “es liegt alles bereit, nehmen Sie noch den Staub von den Möbeln weg.”
    “Es ist der Mühe wert”, spöttelte Tinette und ging.
    Unterdessen hatte Sebastian die Doppeltüren zum Studierzimmer mit ziemlichem Knall aufgeschlagen, denn er war sehr ergrimmt, aber sich in Antworten Luft zu machen durfte er nicht wagen Fräulein Rottenmeier gegenüber; dann trat er ganz gelassen ins Studierzimmer, um den Rollstuhl hinüberzustoßen. Während er den Griff hinten am Stuhl, der sich verschoben hatte, zurechtdrehte, stellte sich Heidi vor ihn hin und schaute ihn unverwandt an, was er bemerkte. Auf einmal fuhr er auf. “Na, was ist denn da Besonderes dran?”, schnurrte er Heidi an in einer Weise, wie er es wohl nicht getan, hätte er Fräulein Rottenmeier gesehen, die eben wieder auf der Schwelle stand und gerade hereintrat, als Heidi entgegnete: “Du siehst dem Geißenpeter gleich.”
    Entsetzt schlug die Dame ihre Hände zusammen. “Ist es die
Möglichkeit!”, stöhnte sie halblaut. “Nun duzt sie mir den
Bedienten! Dem Wesen fehlen alle Urbegriffe!”
    Der Stuhl kam herangerollt und Klara wurde von Sebastian hinausgeschoben und auf ihren Sessel an den Tisch gesetzt.
    Fräulein Rottenmeier setzte sich neben sie und winkte Heidi, es sollte den Platz ihr

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