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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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schnallte sie dem Schecken auf den Rücken; den Zügel machte er dem Falben vom Unterkiefer los, so daß das Tier sich bewegen konnte wie ein wilder Mustang auf der Steppe. Der Indianer wollte nur sein eigenes Leben drangeben, nicht das des Tieres. Als er dies geordnet hatte, legte er den Rock wieder ab, nahm alle Waffen an sich, auch den Knochenbogen, und ging näher an das Gehölz heran, in dem sich das Spähernest befand.
    Dabei vermied er sorgfältig den Anschein, als ob er sich verbergen wollte. Er ging über die vom Mondschein erhellten Wiesenstrecken und machte endlich fünfundzwanzig Schritt vor dem Gehölz halt. Hier legte er alle seine Waffen ins Gras, auch das Messer, und entfernte sich dann seitwärts von den Waffen; dreißig Schritt ging er davon weg.
    In dem Gehölz hatte sich noch nichts gerührt.
    Stein mit Hörnern hob die unbewaffnete Rechte und rief: »Hier steht Harka Nachtauge Steinhart Wolfstöter Bärenjäger Büffeltöter, als Krieger genannt Stein mit Hörnern. Red Jim hat meinen Vater Mattotaupa in dieser Nacht ermordet. Red Jim, der Fuchs, ist in dem Blockhaus. Ich, Mattotaupas Sohn, stelle mich der Ratsversammlung. Sie mag urteilen. Ich habe gesprochen, hau«.
    Der junge Indianer stand gerade aufgerichtet, vom Mondlicht beleuchtet. Um seinen Hals lag die Kette aus Bärenkrallen, die die tiefen Narben des Sonnenopfers nicht ganz verbarg.
    Aus dem Gehölz antwortete keine menschliche Stimme.
    Zwei Pfeile schwirrten und trafen Stein mit Hörnern rechts und links in die Schultern. Er hielt stand, blieb an seinem Platz und rührte sich nicht. Die Geschosse hingen mit ihren Spitzen zwischen Muskeln und Gelenk. Die Spitzen der Kriegspfeile waren mit Widerhaken gearbeitet. Die Pfeile hatten so getroffen, daß Stein mit Hörnern die Arme nicht mehr gebrauchen konnte. Aus den Wunden sickerte Blut.
    Er rührte sich noch immer nicht, sagte auch nichts mehr, sonderen wartete, ob die unsichtbaren Schützen weiter schießen würden.
    Sie schossen nicht mehr. Aber sie sprangen aus dem Gehölz hervor, und Stein mit Hörnern erkannte beide sofort. Der eine war Antilopensohn, den er schon am Tage beobachtet hatte, der andere war Schonka.
    Die beiden fielen über ihn her, wie er erwarten mußte, nachdem sie auf ihn geschossen hatten. Sie rissen die Pfeile aus seinen Schultern und fügten ihm dabei böse Verletzungen zu. Sie warfen ihn zu Boden, fesselten ihm die Hände auf den Rücken, banden ihm die Füße zusammen und traten ihn mit der Ferse. Antilopensohn umschnürte den Gefangenen noch mit dem Lasso.
    Schonka hatte ein Büschel Gras mit Erde und Wurzeln ausgerissen, brach den Mund des Gefangenen auf, indem er den Unterkiefer hinunterdrückte, und stopfte ihm Gras und Erde, bis tief in den Schlund.
    »Nun verhöhne mich noch einmal, du Prahler«, schrie er dabei und schrie es immer wieder. »Verhöhne mich doch, wenn du kannst! Verhöhne mich noch einmal, wenn du kannst! Verhöhne mich doch …!« Schonka war von einem hemmungslosen Jähzorn besessen, in dem der Groll des schon als Knaben immer wieder Unterlegenen und Verspotteten ausbrach. »Verhöhne mich doch, du Kojot und Sohn eines Verräters! Verhöhne mich doch!«
    Stein mit Hörnern hatte unter den Händen Schonkas den Gedanken, daß er weiterleben werde, aufgegeben. Auch wenn er es gewollt hätte, er hätte sich jetzt nicht mehr wehren können. Vergeblich suchte der Sohn Antilopes, seinem besessenen Gefährten Einhalt zu tun. Den Ruf »bring ihn nicht um, er muß an den Pfahl!« schien der Wutgeifernde gar nicht mehr zu hören.
    Aber plötzlich schrie Schonka auf. Ein Gebiß drückte sich mit spitzen Zähnen in seinen Nacken. Auch sein Gefährte sah es, schrie und schlug mit der bloßen Faust zu, da er eben keine Waffe in der Hand hatte und es um den Bruchteil einer Sekunde ging. Schonka, der auf der Brust des Gefangenen kniete, wollte sich zur Wehr setzen. Er versuchte sich zu erheben, fiel nach rückwärts und erkannte einen geöffneten Wolfsrachen über sich. Er riß das Messer aus der Scheide, aber der Wolf packte sein Handgelenk und biß zu. Auch der Sohn Antilopes riß jetzt das Messer heraus, um es dem Tier in das Genick zu stoßen, doch das Tier erkannte die Gefahr rechtzeitig und entfloh mit einem großen Satz, über Antilopensohn hinweg. Als dieser sich umdrehte, war der schwarze langbeinige Wolf schon im Gehölz verschwunden.
    Schonka raffte sich auf. Das Messer war ihm entfallen. Die Pulsader war aufgerissen, das Blut schoß in einem

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