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Dschungel-Gold

Dschungel-Gold

Titel: Dschungel-Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    Niemand hörte etwas.
    Kein Grollen, kein Knirschen, keinen dumpfen Knall, keinen kurzen Donner. Das Rumpeln und Knattern der Goldwaschgatter übertönte alles, die dicke Lärmwolke, die um den Berg hing, schluckte alles. Wenn dreißigtausend Männer sich in den Fels wühlen, das Gestein unter den Preßlufthämmern aufschreit, aus dreißigtausend Kehlen heiseres Keuchen und Stöhnen dringt, sechzigtausend Füße durch Schlamm, Geröll, Wasserpfützen und glitschigen Lehm schlurfen, Brüllen, Schimpfen, Fluchen und Japsen nach frischer Luft sich vermischen mit dem Klatschen ausgeleerte Erdsäcke, jeder dreißig bis vierzig Kilogramm schwer, dann hört man nichts mehr als den eigenen Atem. Und den eigenen Schweiß hört man, ja, auch Schweiß kann man hören. Man hört, wie er aus den Poren quillt. Wie die Haut explodiert. Diese zu Leder gewordene Haut, gegerbt in der Hitze der Dschungelhölle, rissig und reibeisenrauh trotz der fast hundertprozentigen Luftfeuchtigkeit um den Berg, am Berg und im Berg.
    Der Berg. Nur ihn gibt es noch im Leben. Der Diwata-Berg. Ein Berg, den der Teufel, um Gott bei der Schöpfung zu ärgern, auf das Land geschissen hat. Ein Berg voller Gold. Tief drinnen, von hartem Gestein eingeschlossen. Gold, das es hier eigentlich nicht geben durfte – das es aber gab, weil eben der Satan, nur der Satan, Scheiße in Gold verwandeln konnte. So hieß es in den uralten Sagen der Mindanao-Stämme. Und jetzt gab es einen neuen, lebenden Satan, der befohlen hatte: Holt diese Goldscheiße heraus … und dreißigtausend Goldgräber, Digger aus allen Ländern dieser Welt, wühlten sich in Hunderten von Schächten und Stollen in den Kern des Berges vor, um den Teufelsschiß herauszubrechen.
    Ein Heer von Armseligen, Gescheiterten, Glücksrittern, Analphabeten, Flüchtigen, Gesetzlosen, Namenlosen, Gesichtslosen, Entwurzelten, zusammengeströmt in der wahnsinnigen Hoffnung, dem Berg ein wenig Reichtum für sich selbst zu entreißen.
    Niemand hörte etwas.
    Nur eine kurz aus dem Stollen herausquellende Staubwolke von Steinstaub, die sich schnell verflüchtigte, wies darauf hin, daß etwas Schreckliches geschehen war. Das nachfolgende dumpfe Grollen blieb im Berg.
    Felipe Meléndez Ramos blickte unwillig auf, als die Tür seines Büros aufgerissen wurde. Er hatte gerade einen starken Kaffee gebraut, ihn mit einem Schuß Rum verfeinert, rauchte eine Zigarre und genoß die Stunde nach dem Mittagessen. Die Stunde, in der er sich einem Traum hingab, jeden Tag. Dem Traum von einem Leben weitab von diesem Höllenberg. In einem Haus am Strand, mit einem Palmengarten, mit einem chromblitzenden Wagen, mit einem Golfplatz in der Nähe, einer Motoryacht am eigenen Anleger und einem Freund, mit dem man hinausfahren konnte aufs Meer und prächtige Merline angelte. Dem Traum folgte dann immer die Ernüchterung, wenn die Zigarre geraucht und der Kaffee mit Rum getrunken war: der Weg aus seiner Steinbaracke hinaus zu dem Gewirr von Steinhaufen, Schlamm, Erde, Lärm, Gestank und schweißnassen, ächzenden Menschen.
    Ramos hatte schon bessere Zeiten gesehen. Als ausgebildeter Bergwerksingenieur hatte er eine gute, überschaubare Zukunft vor sich gehabt. Er war in den Staatsdienst übernommen worden, hatte eine gute Stellung auf der philippinischen Hauptinsel Luzon im Gebiet von Cagayan bekommen, wo er die bekannten Tanlangan Falls beaufsichtigte, ein Naturereignis, das jährlich viele Touristen anlockte, und hier hatte ihn der Fußtritt seines Schicksals ereilt.
    Ramos hatte beim Anblick eines blonden Touristen aus Schweden seine schwule Veranlagung nicht unterdrücken können. Peinlich war, daß der schöne blonde Jüngling in Begleitung eines Freundes eine Philippinenrundreise gebucht hatte. Der Freund brachte kein Verständnis für exotische Beziehungen auf, schlug Ramos zu Boden und wurde tags darauf mit durchgeschnittener Kehle im Hotelgarten gefunden.
    Ab diesem Tag war Ramos verschwunden. Er tauchte, viel später, auf Mindanao auf, weit weg von den Tanlangan Falls, suchte verzweifelt einen Job und geriet an einen Goldgräber, der sein Leben gerettet hatte, indem er den sagenhaften Goldberg Diwata nach einem Jahr fluchtartig verließ.
    Ramos gefiel die Geschichte von der güldenen Hölle. Er meldete sich bei der Zentralverwaltung der Grube in Davao, erklärte sein Interesse, tischte ein Lebensmärchen auf – aber das war gar nicht nötig, keiner interessierte sich dafür, woher er kam, wie er hieß, man las nur sein

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