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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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quälten ihn. Das Blut sammelte sich in seinem herabhängenden Kopf, in den Gliedern stockte es infolge der Fesseln, und er war immer an der Grenze zwischen diesen zermürbenden Empfindungen und einer erlösenden Bewußtlosigkeit. Es war das erstemal, daß er sich als Mann in der Gewalt anderer befand. Schonka ritt zumeist im Schritt, nur hin und wieder in einem leichten Galopp. Nicht nur sein Handgelenk war zerbissen und aufgerissen, auch die Nachwirkungen des Bisses im Nacken machten sich bemerkbar. Von Zeit zu Zeit mußte er sich den Verband lockern lassen, da sonst die Hand abstarb. Dabei verlor er jedesmal wieder Blut. Seine Hoffnung richtete sich darauf, daß er und Antilopensohn in diesen Tagen im Spähdienst abgelöst werden sollten. Vielleicht begegneten sie Kriegern, die zum Blockhaus unterwegs waren, und konnten Unterstützung erhalten. Als es Abend wurde, heulten die Wölfe. Antilopensohn hielt Wache und wurde schließlich selbst sehr müde.
    Um den Gefangenen kümmerte er sich so weit, als er es für unbedingt nötig fand, um ihn am Leben zu erhalten. Er band ihn des Nachts vom Pferde ab, und als Frost einsetzte, wickelte er ihn in eine Decke. Wasser mußte er ihm hin und wieder geben. Nahrung nahm der Gefangene nicht zu sich. Die Wunden hatten geblutet und sich dann aber von selbst verkrustet.
    Einmal hörten Schonka und Antilopensohn Galopp. Es mochten zwei oder drei Reiter sein; wahrscheinlich war es die Ablösung. Bens Blockhaus, die am weitesten vorgeschobene Station der weißen Männer außerhalb des Bahngeländes, sollte immer umspäht werden, da die Nachricht gekommen war, es werde Militär erwartet.
    Der Sohn Antilopes ritt rasch auf einen Hügel; aber als er sich bemerkbar machen wollte, waren die Reiter schon entschwunden. Es blieb ihm nichts übrig, als seine mühsame Expedition fortzusetzen.
    Schonka brütete Rache, um sein Gefühl der Schwäche und Übelkeit zu übertönen. Je elender ihm bei dem langen Ritt zumute wurde, in desto glühenderen Farben malte er sich aus, was er seinem Feinde Harka Stein mit Hörnern am Pfahl alles antun wollte. Dem Sohn Antilopes wurde die unaufhörliche und hemmungslose Prahlerei am dritten Tage zuviel. Als wieder einmal eine Rast eingelegt war und Schonka sich seinen Phantasien in der einen und einzigen Richtung hingab, fuhr Antilopensohn ihn an: »Mattotaupa hat nicht deinen, sondern meinen Vater getötet, und wenn Stein mit Hörnern überhaupt an den Pfahl kommt, verdankst du es nur mir!«
    »Nicht dir verdanke ich es, sondern dem schwarzen Wolf«, gab Schonka zurück. »Übrigens schleicht die Bestie noch hinter uns her. Willst du sie nicht endlich abschießen?«
    »Nein, ich will sie mitnehmen für das nächste Spiel der wahren Begebenheiten.« Antilopensohn war erschöpft und mißlaunig genug, um spöttisch zu werden.
    »Dieses Spiel haben die bösen Geister der Siksikau erfunden, und wir Dakota werden es nicht noch einmal spielen.« Schonka ließ sich den ledernen Wassersack öffnen und trank wieder lange und durstig.
    Der Abend des sechsten Tages, den Antilopensohn mit Schonka und seinem Gefangenen unterwegs war, kam heran. Im Zeltdorf am Pferdebach wußte noch niemand von den Ereignissen. Der Tauwind wehte immer noch. Der ganze Himmel war grau überzogen, und die Sonne ließ sich nicht mehr sehen, weder am Morgen noch am Mittag oder Abend. Nur eine unbestimmte farblose Helle Jag über der Steppe mit dem gelb und braun gewordenen Gras. Die Kette des Felsengebirges im Westen war in Nebel gehüllt. Feine Wasserteilchen stäubten durch die Luft und verwandelten sich gegen Abend in Eiskristalle.
    Die beiden Mustangs, die Schonka und Antilopensohn gehörten, kannten die Gegend seit mehreren Sommern und drängten zum Galopp, sobald der Lauf des Pferdebachs erreicht war. Sie witterten die Herde.
    Bei den Zelten, denen die rückkehrenden Kundschafter zustrebten, war es an diesem Abend sehr ruhig. Außer den Wachen war kaum jemand mehr außerhalb der Tipi unterwegs. Die Mustangs drängten sich eng aneinander, um Wärme zu finden. Die Hunde lagen wie gewohnt in der Meute zusammen. Die Frauen und Mädchen hatten Wasser geholt und bereiteten in den Zelten die Abendmahlzeit.
    Dünne Rauchsäulen stiegen aus den Öffnungen an den Zeltspitzen auf.
    Schwarzhaut Kraushaar hatte für die ersten Nachtstunden die Pferdewache. Er war ein Krieger geworden, schlank und groß wie die Dakota, unterschieden nur durch sein krauses Haar, die dunklere Hautfarbe, eine andere

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