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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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und verzichtend. »Das weiß ich.«
    Da spürte Tschapa Kraushaar, daß er reiten mußte. Aber er sagte nicht, daß er dazu entschlossen war. Ohne Abschied lief er aus dem Zelt. In der kalten Nacht blieb er stehen und sammelte seine Gedanken.
    Um ihn entstand im Dorf schon wieder Unruhe. Die Wachen von den Hügeln hatten etwas gerufen. Wieder kamen Krieger aus den Zelten heraus, und Kraushaar erkannte auch den Grund. Draußen in der Prärie waren ein falber Hengst und eine weiße Stute erschienen. Der Mond hatte sich einen Hof zwischen den Wolken geschaffen und schien herab; in dem farblosen, unwirklichen Licht standen die Mustangs auf den Wiesen.
    »Das Zauberpferd!« rief irgend jemand. Tschapa Kraushaar erkannte Speerspitzes Stimme.
    Dann waren der Mustang und mit ihm die Stute auch schon wieder im Dunkeln und zwischen den Wellen des Graslandes verschwunden.
    Aber die Männer blieben noch draußen und warteten, ob sich die Tiere noch einmal zeigen würden. Alter Rabe selbst stand weit draußen auf den Wiesen, und es wurde hin und her geflüstert.
    Mit einem raschen Entschluß ging Kraushaar in diesem Moment noch einmal zu dem Häuptlingszelt, in dem sich jetzt sicher nur Frauen und der Gefangene befanden. Tschapa Kraushaar wußte nicht genau, was er wollte. Vielleicht wollte er nur noch einmal den früheren Gefährten sehen, der ihm auf der ersten großen Jagd einen Büffel geschenkt hatte. Es konnte sein, daß Harka Stein mit Hörnern unterdes zu Bewußtsein gekommen war. Als Tschapa in das Tipi eintrat, fand er die Frau des Häuptlings bei dem Gefangenen beschäftigt, dessen Wunden verbunden, dessen Hände und Füße wieder gefesselt waren, aber so, daß das Blut zirkulieren konnte.
    Stein mit Hörnern hatte die Augen offen. Sein Ausdruck war völlig abwesend, als ob er seine Umgebung nicht begreife oder sie von sich fernhalten wollte.
    Kraushaar wies die Frau weg und kniete sich zu dem Gefangenen. »Stein mit Hörnern!« sagte er. »Stein mit Hörnern! Du bist viel umhergekommen. Wo sind Tatanka- yotanka und Tashunka-witko?«
    Er war unsicher, ob der Angeredete die Worte verstand.
    »Stein mit Hörnern! Antworte mir! Du allein bist überall umhergekommen. Wo sind Tatanka-yotanka und Tashunka-witko?«
    Es schien, daß der Gefangene etwas sagen wollte, aber er hustete und würgte, schien etwas zu suchen, und als Kraushaar ihm eine Schüssel gab spuckte er Erde. Er brachte weiter noch keinen Ton heraus.
    »Wasser!« befahl Kraushaar der Frau. Er gab es dem Gefesselten selbst zum Trinken und Spülen.
    Der Gefangene kämpfte um seine eigene Stimme. Er schien im Hals verletzt. Endlich konnte er sich verständlich machen. »Wo wir waren ­ ehe wir hierher ­ gezogen sind.«
    »Auf der Lichtung unterhalb der Höhle stehen die Zelte der Oberhäuptlinge?«
    Stein mit Hörnern gab ein Zeichen, daß Tschapa Kraushaar richtig verstanden habe.
    Die Frau kam wieder herbei und deutete dem jungen Krieger an, daß sie etwas zu sagen habe. Tschapa zeigte ihr Aufmerksamkeit.
    »Hier ­ er ­ ist gleich aufgewacht, als du gegangen warst«, teilte sie dem jungen Krieger mit. »Er weiß schon, daß er in fünfzehn Tagen an den Pfahl kommt und mit Schande sterben wird.«
    »Schweig, du quakender Frosch!« schrie Kraushaar zornig auf und lief aus dem Zelt.
    Er eilte in sein eigenes Tipi, ließ sich von den fünf anwesenden Frauen mit Pemmikan und Tabak versorgen, nahm seine Waffen an sich und rannte zu den Pferden. Er schwang sich auf den besten der Mustangs aus seinem eigenen Besitz, nahm ein zweites Pferd als Reserve mit und galoppierte in Nacht und Prärie hinaus.
    Von seinem Vorhaben hatte er weder den Alten Raben noch sonst irgend jemanden unterrichtet. Mochten sie glauben, daß Tschapa Wölfe jagte oder Waschbären suchte!
    Tschapa Kraushaar liebte Uinonah. Nie würde er ihr das sagen können, denn sein Zelt war voll Weiber, die zu seiner Familie gehörten und für die die Jagdbeute kaum je ausreichte. Aber er wollte etwas für Uinonah tun, und er wollte seinen Jugendgefährten, wenn nicht vom Tode, so doch vor der Schande retten.
    Tschapa Kraushaar strebte in direkter Richtung nordnordostwärts auf die Südhänge der Black Hills zu. Er ritt etwa die Strecke, die der Wanderzug der Zelte elf Jahre früher unter Mattotaupas Führung in umgekehrter Richtung gezogen war. Kraushaar erinnerte sich im Reiten daran. Er war damals mit seinem Vater Fremde Muschel den weißen Männern entflohen gewesen, in die Hände der Pani geraten, die

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