Heimliche Hochzeit um Mitternacht (German Edition)
erwarte mich, es sei alles arrangiert. Natürlich war ich einigermaßen überrascht, dass mich niemand von der Kutsche abgeholt hat. Ich dachte …“
Jetzt runzelte er die Stirn, doch sein Mienenspiel verriet ihr, dass ihm ein erhellender Gedanke gekommen war. „Ich verstehe. Wenn meine Mutter Ihren Besuch vorbereitet hat, würde das erklären, weshalb Sie davon ausgingen …“ Er hielt inne, um vorsichtig fortzufahren: „Kannten Sie meine Mutter gut?“
„Ich? Nein, überhaupt nicht. Lady Cecily und sie waren Schulfreundinnen. Sie haben eine Korrespondenz geführt.“ Sie griff in ihr Ridikül, zog den feuchten und zerknitterten Empfehlungsbrief heraus und überreichte ihn dem jungen Gentleman.
„Dann wussten Sie nichts von der Erkrankung meiner Mutter.“ Er nahm das Schreiben entgegen und überflog es, während er hin und wieder mit gehobenen Brauen zu ihr hinüberblickte. Dann zog er seinen dunklen Gehrock aus, um sie auf den Trauerflor um seinem Arm aufmerksam zu machen. „Ich fürchte, Sie kommen sechs Wochen zu spät, um meine Mutter kennenzulernen, es sei denn, Sie verfügen im Gegensatz zu den unter diesem Dach lebenden Personen über übersinnliche Kräfte. Den Kranz haben wir bereits von der Tür entfernen lassen. Ich vermute, es ist respektlos von mir, so über die Dowager Duchess zu sprechen, aber Sie haben nicht viel versäumt. Meistens war es kein Vergnügen, in ihrer Gesellschaft zu sein … Lady Miranda!“
Hastig setzte er einen Schritt vor, um sie zu stützen, als sie ins Wanken geriet und durchnässt, wie sie war, auf den Stuhl neben sich sank.
„Ich dachte, da Sie meine Mutter nicht kannten … Ich habe nicht erwartet, dass Sie die Nachricht so mitnehmen würde. Kann ich Ihnen etwas anbieten? Einen Brandy vielleicht? Die Karaffe ist schon wieder leer … Wilkins! Zum Teufel mit dem Mann.“ Ihr Gastgeber riss die Tür auf und rief so laut er konnte durch die Halle nach dem unverständlich murmelnden Butler. „Wo ist der Brandy?“
Also war sie tropfnass, uneskortiert und unerwartet in ein Haus gekommen, in dem man sich gerade in Trauer befand. Und dies mit einem zweifelhaften Empfehlungsschreiben im Ridikül und der hohen Erwartung seitens ihrer Familie, die Zuneigung des Hausherrn, eines Peers, für sich zu gewinnen und ihm einen Antrag zu entlocken, bevor er zu viele Fragen über ihre Lebensumstände stellte und sie wieder heimschickte. Sie legte die Hände vor ihr Gesicht und wünschte, sie könnte sich in Luft auflösen.
„Was zur Hölle geht hier vor?“
Seine Gnaden hatte, wie Miranda feststellte, offenbar endlich jemanden zu sich zitiert, doch nach dem Butler klang diese Stimme draußen vor der Tür nicht.
„St. John, was hat der Lärm zu bedeuten? Weshalb schreist du durch das ganze Haus nach dem Brandy? Besitzt du keinen Funken Anstand mehr? Verbrauche meinetwegen unseren Bestand an Wein und Brandy, aber sei so gut und tu dies still für dich.“
Die Stimme wurde lauter, während sie sich der Bibliothekstür näherte.
„Und wer ist das hier?“, wollte der fremde Gentleman wissen, kaum dass er den Raum betreten hatte und sein Blick auf Miranda fiel. „Ich schwöre bei Gott, St. John, wenn du es warst, der dieses durchnässte Häufchen Elend ins Haus geschleppt hat, dann werde ich dich mitsamt dem Mädchen und dem Brandy trotz des Andenkens an unsere Mutter vor die Tür setzen.“
Miranda betrachtete den wütenden Mann, der bei der Tür stehen blieb, und stellte fest, dass er in jeder Hinsicht anders war als Seine Gnaden. Er hatte dunkle Haare, graue Schläfen und ein Gesicht, das gezeichnet war durch Bitterkeit und ein schwieriges Leben. Die Lippen presste er streng zusammen, und seine Augen muteten so grau an wie der Himmel vor einem Sturm. Er strahlte eine Kraft und Autorität aus, so mächtig wie das Feuer die Hitze. Rasch wandte sich der Duke ab, um Miranda einen Sherry einzuschenken. Er besann sich jedoch eines anderen und führte sich selbst den Likörwein zu Gemüte.
„Diesmal, lieber Bruder, kannst du mich nicht für das Durcheinander verantwortlich machen. Das Mädchen ist dein Problem, nicht meines. Es ist auf die Einladung unserer Mutter hin, Gott hab sie selig, nach Haughleigh Grange gekommen.“ Er salutierte mit dem Brief, den er zuvor auf dem Kaminsims abgelegt hatte, und übergab ihn dem hochgewachsenen Herrn. „Darf ich vorstellen? Miss Miranda Grey. Sie ist hier, um Seine Gnaden, den Duke of Haughleigh, kennenzulernen.“ Der blonde junge
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