Heißer Trip ins Glueck
Adoptiveltern schwer fallen würde, sie gehen zu lassen.
Einen Tag vor der geplanten Hochzeit ihrer Brüder wollte sie wieder hier in Wolf River sein. Und wenn alles so ablief, wie sie es sich vorstellte, würde sie ihre Eltern überredet haben mitzukommen.
„Vergesst meine Einladung nicht”, ermahnte sie Rand und Seth noch im Hinausgehen,
„heute Abend im ,Adagio’s’.”
Es war ein schöner, freundlicher Tag. Es war warm, und es wehte ein leichter Wind. Man merkte, dass der Herbst schon in der Luft lag. Außerdem waren in den Schaufenstern die ersten Plakate für das großes Halloween-Festival aufgehängt, das in drei Wochen stattfinden sollte.
Zum Hotel war es nicht weit. Clair bummelte die Hauptstraße hinunter. Viele Leute begrüßten sie oder winkten ihr zu so wie Sylvia, die bei Pappa Pete’s arbeitete. Man kannte einander in Wolf River, und die abenteuerliche Geschichte der drei Kinder aus dem Ort, die sich nach dreiundzwanzig Jahren wieder gefunden hatten, hatte sich schnell herumgesprochen. Es hatte darüber sogar ein Artikel in der Lokalzeitung gestanden. Die wenigen Tage hier hatten genügt, um Clair zu zeigen, dass sie hierhin gehörte. Wenn sie ihr Leben schon nicht mit Jacob teilen konnte, wollte sie es wenigstens hier verbringen, wo sie mit offenen Armen aufgenommen worden war.
Clair war spät dran. Als sie am Drugstore vorbeiging, fiel ihr der Film ein, den sie zum Entwickeln dort abgegeben hatte. Es war der Film aus Jacobs Kamera. Sie hatte die kleine schwarze Dose beim Auspacken gefunden und sie zuerst in den Papierkorb geworfen, entschlossen, alles endgültig hinter sich zu lassen, was mit dieser Woche und mit Jacob zu tun hatte. Dann aber hatte sie es doch nicht übers Herz gebracht und den Film wieder aus dem Abfall geholt, nicht ohne sich für ihre Schwäche ein wenig zu schämen.
Einmal wollte sie sich die Bilder wenigstens angesehen haben. Dann konnte sie sie immer noch wegwerfen. Sie ging in den Laden, legte ihren Abschnitt vor, bezahlte und kam mit der Tüte mit den Abzügen wieder heraus. Einen Blick nur.
Zehn Minuten später saß Clair in ihrem Hotelzimmer und öffnete mit zitternden Händen die Tüte mit den Fotos.
Die ersten waren die, die sie auf der Fahrt gemacht hatte: die Scheunen, der Kirchturm, der überwucherte Trecker. Plötzlich wurden diese Stunden wieder lebendig. Dann kamen die Schnappschüsse, mit denen sie sich gegenseitig in der Dusche überrascht hatten. Clair musste lachen, als sie Jacobs verdutztes Gesicht sah, das hinter dem Duschvorhang hervorlugte. Aber im nächsten Moment standen ihr schon die Tränen in den Augen. Dann kamen noch die dicke Dorothy und Jacob am Steuer.
Clair war fast mit dem Stapel durch, als sie einige Fotos entdeckte, die sie nicht kannte.
Jacob musste sie vor ihrer Abfahrt gemacht haben. Clair schaute genau hin. Die Bilder waren unterbelichtet, als seien sie nachts aufgenommen worden.
Die Bilder zeigten einen Mann und eine Frau, die aus der Tür eines Motelapartments kamen und sich küssten. Es waren - Clair sah noch einmal genau hin und traute ihren Augen nicht. Kein Zweifel, es waren Oliver und ihre beste Freundin Susan. Fassungslos drehte Clair den Abzug um und las Datum und Uhrzeit auf der Rückseite. Es war die Nacht vor ihrer Hochzeit gewesen. Sie ging die restlichen Bilder durch. Sie zeigten alle das Paar vor dieser Tür, auf manchen in recht verfänglichen Stellungen.
Clair kam aus dem Staunen nicht heraus. Oliver und Susan -zwei Menschen, denen sie vertraut hatte. Oliver hätte sie nur wenige Stunden, nachdem diese Aufnahmen gemacht worden waren, fast geheiratet. Ihre Erleichterung darüber, dass es nicht dazu gekommen war, war noch nachträglich grenzenlos.
Dann zog Clair die Brauen zusammen. Sie warf die Bilder auf das Sofa, stand auf und ballte die Fäuste. Jacob hat davon gewusst, schoss es ihr durch den Kopf. Sie fing an, im Zimmer auf und ab zu gehen. Sie wusste nicht, wohin mit ihrem Zorn und ihrer Erregung.
Wieso hatte er ihr kein Sterbenswörtchen ge sagt? Er wusste, welch ein schlechtes Gewissen sie gehabt hatte, dass sie einfach vor ihrer eigenen Hochzeit davongelaufen war. Er hatte miterlebt, wie miserabel sie sich dabei gefühlt hatte -und er hatte sich nicht das Geringste anmerken lassen. Es konnte doch nicht sein, dass auch er sie auf diese Weise hintergangen hatte.
Es klopfte an der Tür. Das mussten Grace und Hannah sein. Clair war gespannt, was die beiden zu der Geschichte wohl sagen würden.
Sie
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