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Heißes Geld

Heißes Geld

Titel: Heißes Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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genau die Dame, die wir uns für diese Position vorgestellt haben.« Er hob den Blick von den Unterlagen: »Gewandt, tüchtig und repräsentativ.« Sein Lob klang abschätzend: »Sie haben nur ein Manko.«
    »Bitte?« fragte sie.
    »Sie sind mir fast zu hübsch.«
    »Zu hübsch?« fragte Sabine, betroffen wie geschmeichelt.
    »Ich bin zwar ein alter Hagestolz«, erwiderte Nareike mit gespieltem Selbstmitleid, »aber durchaus aufgeschlossen für feminine Reize. Sehen Sie, Ihre Vorgängerin war weit weniger attraktiv als Sie, und so hätte ich mir alles eher vorstellen können, als daß sie plötzlich einen Mann findet, mit ihm auf und davon geht und mich im Stich …« Er lächelte anzüglich: »Wenn mir das schon mit einer grauen Maus passiert, frage ich mich natürlich, was mir mit Ihnen alles bevorstünde, Fräulein Littmann.«
    »Ich glaube nicht, daß Sie sich darüber Gedanken machen sollten, Herr Direktor.«
    Er empfand ihre dunkle Stimme als einen hübschen Kontrast zu ihren hellen Haaren, und die Kandidatin war sich auf einmal sicher, daß sie ihre Konkurrentinnen verdrängen würde. Sie betrachtete den neuen Chef, auf den sie sich einließ, eingehend: Er war mehr hager als schlank, was sein langer, faltiger Hals noch unterstrich. Er wirkte groß und selbstsicher, und sein vom Leben gezeichnetes Gesicht ließ erkennen, wie gut der Mann in den besten Jahren in seinen besseren einmal ausgesehen haben mußte. Er trug den üblichen grauen Flanell, offensichtlich von einem ersten Schneider, nicht wie eine Bürouniform. Seiner Wirkung und Erscheinung nach war er kein Emporkömmling des Wirtschaftswunders, und Sabine nahm an, daß er auch schon in der Vergangenheit keine Anzüge von der Stange getragen hatte: »Unabhängigkeit hat für mich einen enormen Stellenwert«, erklärte sie.
    »Für mich auch«, erwiderte Nareike. »Allerdings war ich in Ihrem Alter noch nicht so weise.«
    »Ich weiß nicht, ob es ein Ausdruck von Weisheit ist«, erwiderte sie mit sanfter Ironie.
    »Was dann?«
    »Vielleicht Misstrauen, Unsicherheit, Vorsicht …«
    Nareike lächelte: »Sie haben ja braune Sprenkel in Ihren grünen Augen, hübsch«, erwiderte er und bot ihr eine Zigarette an. Sabine griff nach kurzem Zögern zu. Sie war auf die Begegnung mit ihrem potentiellen neuen Arbeitgeber sorgfältig vorbereitet, entschlossen, sich von ihrer besten Seite zu zeigen. Mit Männern hatte sie leichtes Spiel, aber sie erschwerte es sich oft selbst, weil sie sich wenig aus Männern machte. Aber das versteckte man besser, wenn man sich um eine Spitzenstellung bewarb und längst wußte, daß es sich in der Direktionsetage weicher sitzt als im Großraumbüro.
    »Die ›Kö‹ gegen Kettwig – das ist natürlich kein so toller Tausch«, sagte Nareike.
    »Das Revier ist weit besser als sein Ruf«, erwiderte sie. »Ich wäre nicht abgeneigt, hierherzuziehen.«
    »Warum?« schoß er die Frage ab.
    »Solide Gründe: Vielleicht schätzen Sie mich jetzt als sehr materiell ein, aber ich bringe sie einmal auf einen Nenner: Geld.«
    Nareike nickte und lächelte.
    »Ich könnte mich in Ihrer geschätzten Firma ganz hübsch verbessern«, erklärte die Kandidatin: »Fast 200 Mark brutto mehr im Monat, plus eine Woche zusätzlicher Urlaub und dann auch noch eine günstige Betriebswohnung.«
    »Ein Apartment in Kettwig«, versetzte er. »Vermutlich klein aber fein.«
    »Ich bin bescheiden«, erwiderte sie. »Ich habe es lernen müssen. Wir sind Flüchtlinge und haben alles verloren.«
    »Schlimm«, entgegnete er mit wenig Teilnahme, obwohl er selbst aus Breslau stammte. »Persönliche Gründe ziehen Sie also nicht in den Kohlenpott?« fragte er wie beiläufig.
    »Doch«, antwortete Sabine und überlegte, ob er sich von dem Typ unterschied, den sie nur zu gut kannte: Dem Alter nach ein Vater, der Güte nach ein Onkel, und bei Gelegenheit ein seniler Sittenstrolch: »Meine Mutter wohnt in Castrop-Rauxel. Sie ist ganz allein, und ich könnte mich von hier aus natürlich viel besser um sie kümmern.«
    »Wie schön für Ihre Frau Mutter«, erwiderte der Geschäftsführer der Firma Müller & Sohn, Produktion von Autobedarfsartikeln. Die Motorisierungswelle, einige Erfindungen des Firmengründers und der Geschäftssinn Nareikes hatten in eineinhalb Jahrzehnten aus einem größeren Handwerksbetrieb ein Unternehmen mit rund tausend Arbeitnehmern und drei Zweigwerken gemacht. Die stürmische Expansion ging weiter, und Nareike war – wenn auch bescheiden – am

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