Heißes Geld
verlangt. »Sie möchten bei uns ein Konto eröffnen?« sagte er, »und Ihre Einlage in Dollars erbringen?«
»Ja«, antwortete der Amerikaner.
»Legen Sie Wert auf eine anonyme Anlage?« Er räusperte sich kurz wie ein Prediger vor der Erwähnung des Sechsten Gebotes. »Ein Nummernkonto?«
»Nein«, entgegnete der Kunde. »Ein ganz normales Giro-Konto – nicht auf meinen Namen, sondern zugunsten der ›Greenstone-Foundation‹, New York, Fifth Avenue, bei der ich, jeweils in Verbindung mit einem zweiten Vorstandsmitglied, zeichnungsberechtigt bin.«
Direktor Ballauf wirkte leicht beunruhigt, denn es war recht ungewöhnlich, daß Gelder dubioser Herkunft durchsichtig gemacht wurden: »Ich nehme an, Sie haben mit Ihrem Anwalt gesprochen?«
»Pardon«, erwiderte der Amerikaner lachend. »Ich bin selbst Anwalt. Und jetzt lassen Sie bitte Ihren Kassier kommen.« Er öffnete Linsenbuschs elegantes Bordcase – er müßte es zwangsläufig unterschlagen – und entnahm ihm Bündel für Bündel, öffnete die Banderolen, sah zu, wie der Kassier mit frappierender Routine die Scheine nachzählte, erneut bündelte und mit den Banderolen seines Hauses versah.
»Dann hätten wir auf Ihrem Konto genau«, Ballauf warf einen Blick auf den Block, »1 206.362 Dollar.«
Der Direktor zeichnete den Beleg selbst ab; da es sich um eine bedeutende Summe handelte, steuerte auch der Kassier noch seine Unterschrift bei.
Nach fünf Minuten war die Prozedur erledigt, das heiße Geld abgekühlt, das Blutgeld gewaschen, um von nun an in saubere Hände zu kommen.
Henry und Barbara verließen das Bankhaus. Es war heller Tag, und Babsi lehnte sich auf offener Straße zärtlich gegen ihren Begleiter, der seinen Fall so brillant, bedenkenlos, und uneigennützig gelöst hatte. Er war einer dieser raren Burschen, denen man seine kleine Schwester ebenso anvertrauen kann wie einskommazwo Millionen Dollar. Einer, der Cleverness und Rechtschaffenheit miteinander vereinigte – und auch noch ein Mann war, und das bei jeder Gelegenheit.
Sie sah Henry von der Seite an.
Sie spürte, wie sehr sie ihn mochte, und sie wußte, was sie ihm bedeutete. Sie betrachtete die hohe Stirn, die kühlen Augen, die schmalen Lippen. Vielleicht waren sie zu schmal, denn jetzt, nach getaner Arbeit, erwies sich Henry als schweigsam, als vielleicht zu schweigsam.
Sie betraten ein Reisebüro.
An der Wand hing ein Plakat, auf dem angekündigt wurde, daß unter dem Protektorat des amerikanischen Generalkonsuls heute abend die Zeichnerin Lydia Highmill ihre Werke an der Limmat vorstellen würde.
»Weißt du, was ihr Meisterwerk war?« fragte Henry. »Sie hat intuitiv Linsenbusch gezeichnet, als wir noch nicht wußten, wie er aussah.«
»Diese Lydia«, erwiderte Babs überrascht.
»Ja, Jessicas Zwillingsschwester – aber sie sieht ganz anders aus«, setzte er rasch hinzu. »Wir werden sie heute abend überraschen und einladen.«
Der Angestellte des Büros erschien am Schalter, und Henry fragte, wann und mit welcher Linie er morgen früh nach New York fliegen könne.
»Swissair«, antwortete der Mann. »At eight o'clock. Would you like a one-way-ticket?« fragte der Mann.
»Yes«, entgegnete Feller.
»One or two tickets?« fragte der Angestellte weiter.
»Das ist eine Gewissensfrage«, erwiderte Henry in deutscher Sprache und wandte sich Barbara, die etwas abseits stand, zu. »Der Mann möchte wissen, ob wir eine Flugkarte oder zwei für New York benötigen.«
Barbara betrachtete ihn nachdenklich, begriff, was er meinte und lächelte dann überrascht; sie deutete mit gespreiztem Daumen und Zeigefinger an, daß zwei Tickets gewünscht würden – und es sah aus wie ein V, wie Victory, das Siegeszeichen.
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