Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heißes Geld

Heißes Geld

Titel: Heißes Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
den Polen gehörten. »Wer ist dieser Nareike?« fragte sie.
    »Ein Glücksfall«, antwortete Horst. »Habe ihn lange genug gesucht: Mein Alter, meine Größe, meine Herkunft, eine gewisse Ähnlichkeit, und er war sogar bei der SS.«
    »Spielt das denn eine Rolle?« fragte sie.
    »Und ob«, antwortete er. »Denk doch an dieses Kainszeichen.«
    Horst meinte die Blutgruppenkennzeichnung, die den Männern des Schwarzen Ordens so auf die Haut geschrieben worden war, daß sie sich nachträglich nicht mehr entfernen ließ, es sei denn mit der Haut zusammen: »Es könnte ja sonst einer an Nareikes Identität zweifeln.« Er grinste.
    »Der Mann ist tot?«
    »Gründlich. Darauf kannst du dich verlassen«, versetzte er. »Beileidsbekundungen gibt es auch nicht. Keine Verwandten, keine Freunde – eigentlich hat mein Alter ego genauso zurückgezogen gelebt wie ich.«
    »Bis auf die Blondinen …« erwiderte Hannelore spitz.
    »Täusch dich nicht«, versetzte er grinsend. »Ein paar Weibergeschichten hatte auch dieser Nareike am Buckel.«
    »Dann ist die neue Identität ja wie maßgeschneidert für dich.«
    »Ganz klar«, entgegnete er. »Soll sie ja wohl auch sein.« Er schlüpfte in die Zivilkleider und umarmte Hannelore flüchtig, aber für Zärtlichkeit war nun wirklich keine Zeit.
    »Und wie geht das weiter – mit uns?« fragte sie.
    »Ich werde mich um dich kümmern«, versprach er. »Sobald es geht.«
    »Wie nett von dir«, antwortete sie.
    Er hörte ihren Unterton von Spott heraus: »Reiß dich am Riemen«, fuhr er sie an. »Und nun hör gut zu«, sagte Horst und trichterte ihr die Regeln ein, nach denen sie künftig leben müßte, falls sie wünschte, daß ihr Mann am Leben bliebe und sie ihn wiedersähe.
    Hannelore sah ihm nach und überlegte, was sie mit einem machen würden, der einen US-Captain auf der Flucht erschossen hatte. Die anderen Dinge, die sie Horst vorwarfen, hielt sie für Unsinn, für die Rache eines gedemütigten Mitarbeiters, es war wohl der Preis, den Horst für seine Arroganz und Selbstherrlichkeit zu bezahlen hatte. Obwohl sie seinen Egoismus kannte, bestätigte sie sich tapfer, daß ein widerwärtiger Schürzenjäger noch lange kein krimineller Menschenhändler sei.
    Seit Hannelore verheiratet war, war sie durch alle Höhen und Tiefen einer Hass-liebe gegangen, aber je weiter sich der Flüchtige jetzt von ihr entfernte, desto größer wurde die Liebe und desto kleiner der Hass. Sie sagte sich, daß ein Zusammentreffen unter diesen Umständen gar nicht anders verlaufen konnte, und daß sie hier auf dem Lande lebte, völlig unangefochten, unter falschem und doch amtlichem Namen, und das als Tochter des Reichsleiters Dannemann und Ehefrau des Wehrwirtschaftsführers Linsenbusch, das verdankte sie ausschließlich Horst. Andere Frauen Prominenter wären in ihrer Lage ins Interniertenlager gekommen, das ihr – dank Horsts Fürsorge – erspart geblieben war. Hannelore hielt das auch für gerecht, denn eigentlich war sie immer unpolitisch gewesen, auch wenn sie immer an den Führer geglaubt hatte. Vielleicht glaubte sie auch heute noch an ihn, aber sie wollte nichts mehr davon hören, nichts über ihn, und nichts über die Untaten, die man ihm seit Kriegsende vorwarf.
    Hannelore las keine Zeitung. Sie sprach kaum mit einem Dorfbewohner, und über die Zeitläufe schon gar nicht. Ab und zu schaltete sie das Radio ein, um wenigstens eine Stimme zu hören, die die Einsamkeit mit ihr teilte. Plötzlich sagte der Nachrichtensprecher: »Heute morgen wurden folgende, von US-Militär-Gerichten zum Tode verurteilten Häftlinge in Landsberg gehängt …«
    Sie horchte angespannt, bangte, bei jeder Nennung Horsts Namen zu hören, fürchtete, daß er hingerichtet, und sie ihn nie mehr wiedersehen würde – und das nach einem so kühlen Abschied. Von nun an saß sie täglich am Radio und hörte bestürzt die Morgennachrichten. Eine Zeitlang war sie sogar versucht, sich zu stellen und ihren richtigen Namen zu gestehen, und dafür das Recht einzutauschen, Horst noch einmal zu sehen, bevor sie ihn hängten.
    Aber vielleicht hatten ihn die Amerikaner gar nicht wieder gefaßt.
    Die Exekutionen von Landsberg gingen weiter. Der Sprecher nannte noch viele Namen – aber seine Frau erhielt das erste Überlebenszeichen von Horst, beziehungsweise Werner. Freiwillig oder nicht: Er hatte Wort gehalten, hatte sich nach ein paar Monaten aus Westdeutschland gemeldet. Er ließ ihr Geld zukommen, nicht viel, doch allmählich

Weitere Kostenlose Bücher