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Helle Barden

Helle Barden

Titel: Helle Barden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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hauchdünnen Sohlen die charakteristischen Merkmale des Kopfsteinpflasters spürte und so selbst in einer nebligen Nacht feststellen konnte, wo er sich befand.
    Gute
Stiefel hingegen hielten jahrelang. Wenn man fünfzig Dollar für ein Paar Stiefel ausgab, waren auch noch in zehn Jahren trockene Füße garantiert. Ein armer Teufel hingegen, der sich mit billigem Schuhwerk begnügen mußte, gab in der gleichen Zeit hundert Dollar für einfache Stiefel aus
und hatte trotzdem nasse Füße.
    So lautete Hauptmann Samuel Mumms Stiefeltheorie über die sozialökonomische Ungerechtigkeit.
    Es lief auf folgendes hinaus: Sybil Käsedick wurde nur selten mit der Notwendigkeit konfrontiert, etwas anzuschaffen. In der Villa gab es zahlreiche alte Möbel, die ihre Vorfahren gekauft hatten und die nie abnutzten. Dutzende von Schatullen enthielten kostbaren Schmuck – das Zeug schien sich im Lauf der Jahrhunderte von ganz allein angesammelt zu haben. Im Weinkeller unter dem Gebäude hätten sich Speläologen mit Begeisterung betrunken, um anschließend den ebenso langen wie komplizierten Rückweg vergessen zu haben.
    Lady Sybil Käsedick lebte glücklich und zufrieden, indem sie etwa halb soviel Geld ausgab wie Mumm. Doch bei ihren Drachen sparte sie nicht.
    Das Sonnenscheinheim hatte besonders dicke Wände und ein besonders leichtes Dach – die architektonischen Eigenheiten von Fabriken, in denen man Feuerwerkskörper herstellte.
    Der Grund: Sumpfdrachen sind normalerweise chronisch krank. Und chronisch kranke Sumpfdrachen neigen dazu, sich mehr oder weniger gleichmäßig auf Wänden, Boden und Decke eines Raums zu verteilen. Sumpfdrachen sind wie ein achtlos gewarteter und gefährlich instabiler Reaktor, der dicht –
sehr
dicht – vor einer Explosion steht.
    Daß Sumpfdrachen gerne mit einem lauten Krachen explodieren, wenn sie zornig, aufgeregt, erschrocken oder schlicht gelangweilt sind, ist für Biologen eine Überlebenseigenschaft 3 . Die Botschaft lautet: Wenn du Drachen frißt, holst du dir Blähungen, die dich auseinanderreißen werden.
    Ganz vorsichtig öffnete Mumm die Tür, und Drachengeruch wehte ihm entgegen. Selbst nach den Maßstäben von Ankh-Morpork war es ein ungewöhnliches Aroma. Es erinnerte Mumm an einen Teich, der jahrelang alchimistische Abfälle aufgenommen hatte und dann ausgetrocknet war.
    Kleine Drachen heulten und quiekten in den Pferchen, die sich rechts und links vom Gang erstreckten. Flammen züngelten aus aufgeregten Mäulern und versengten ihm die Haare an den nackten Schienbeinen.
    Er fand Sybil Käsedick bei einigen in Kniehosen gekleideten jungen Frauen, die ihr bei der Verwaltung des Sonnenscheinheims halfen. Für gewöhnlich hießen die Assistentinnen Sara oder Emma, und für Mumm sahen sie alle gleich aus. Derzeit rangen sie mit einem wütenden Sack. Lady Käsedick sah auf, als sich der Hauptmann näherte.
    »Ah, da ist Sam«, sagte sie. »Halt das hier, sei so nett.«
    Sie drückten Mumm den Sack in die Arme. Eine Sekunde später fuhr unten eine Klaue hindurch, und Krallen kratzten über den Brustharnisch des Hauptmanns, versuchten vergeblich, ihm die Eingeweide aus dem Leib zu reißen. Oben schob sich ein Kopf mit spitzen Ohren aus dem Beutel, und zwei rotglühende Augen richteten sich auf Mumm. Der Rachen klappte auf, offenbarte zahllose scharfe Zähne und einen stinkenden Atem.
    Triumphierend packte Lady Käsedick den Unterkiefer und stopfte ihren Arm bis zum Ellenbogen ins Drachenmaul.
    »Hab dich!« Sie wandte sich an Mumm, dem es noch nicht gelungen war, die Starre des Schocks abzustreifen. »Der kleine Teufel hat sich geweigert, seine Kalksteintablette zu nehmen. Schluck jetzt. Du sollst
schl
u
cken!
Na bitte. Braver Junge. Du kannst ihn loslassen.«
    Der Sack glitt aus Mumms Händen.
    »Ein schlimmer Fall von flammenloser Kolik«, erklärte Lady Käsedick. »Ich hoffe, er hat das Medikament noch rechtzeitig bekommen…«
    Der Sumpfdrache zerfetzte den Sack, sah sich um und suchte nach etwas Brennbarem. Alle duckten sich.
    Das Geschöpf verdrehte die Augen. Dann rülpste es.
    Die Kalksteintablette prallte mit einem deutlich vernehmbaren
Ping
von der gegenüberliegenden Wand ab.
    »In Deckung!«
    Die Helferinnen hechteten hinter einen Wassertrog. Mumm und Lady Käsedick warfen sich hinter einen großen Schlackehaufen.
    Der Drache rülpste noch einmal und wirkte verwirrt.
    Dann explodierte er.
    Sie standen auf, als sich die Qualmwolken verzogen. Traurig schauten sie zu dem

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