Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
Hand sein sollte, war nichts. Meine Arme, meine Beine. Nach
all den Jahren, in denen ich mich damit abgefunden hatte, nie eine besondere
Vampir-Kraft zu entwickeln, war sie endlich da. Ich beherrschte keine
Telekinese, konnte mich nicht teleportieren wie Nero oder Gedanken manipulieren
wie Olivia. Doch dafür das.
Ich war
in der Lage, zu verschwinden.
Fast
hätte ich aufgelacht. Ein Spätzünder.
Ungewohnt
wabbelig stakste ich durch das Kampfgeschehen, für den Moment so von meinem
eigenen Körper fasziniert und überfordert, dass ich es zu spät bemerkte.
Hannahs
Schrei.
Sie wurde
von zwei Vampiren in Schach gehalten, während ein Dritter über ihre Kehle fuhr.
Er würde sie beißen. Jede Sekunde.
Aber
ich war zu weit weg. Viel zu weit, als dass ich ihr hätte helfen können. Ich
konnte nichts tun.
„HANNAH!“
Da
preschte ein schwarzes Ungetüm durch die Kämpfenden, setzte zum Sprung an, und
warf sich zwischen den hellbraunen Wolf und den Vampir. Zähne bohren sich durch
Haut.
Doch
es war nicht der Vampir, der zu Boden ging.
„Ethan!“
Hannahs Schrei erfasste mich und durchdrang jede Faser. Ihre Stimme brach, ihr
Körper wurde von einem Zucken erfasst. Schmerz, Schreck, was auch immer es war,
Hannah verwandelte sich mitten im Kampf zurück in einen Menschen.
Da lag
sie, nackt hinter dem schwarzen Wolf, und hielt den verwundeten Alpha in ihren
Armen, während sein Blick langsam ins Nichts glitt.
„Ich
habe meinen Schwur gehalten“, murmelte er. Dann setzte seine Atmung aus. Ein
einzelner Augenblick, der ein Leben für immer beendete.
Doch
er war nicht der Einzige. Als ich mich umsah, sah ich überall Körper zu Boden
gehen. Pandora, deren Körper Feuer gefangen hatte, gefolgt von Lysander, dem
jemand eine lange Eisenstange in den Brustkorb gejagt hatte.
Dimitri,
dessen Genick offensichtlich gebrochen war.
Ich
konnte es nicht fassen. Das war ein Traum. Eines von Olivias Spielchen.
Wieder
eine Explosion. Ich verlor das Gleichgewicht und lag am Boden, zitternd,
unsichtbar. Wenn es einen Gott gibt, wäre nun der richtige Moment,
einzuschreiten!
Es
heißt, dass wir Vampire verdammt sind. Ausgeburten der Hölle. Seelenlose
Dämonen. Doch mein Gebet wurde erhört, denn das Schicksal entsendete mir einen
Engel.
Die
Metalltür wurde hochgefahren und ein blendender Lichtstrahl schnitt durch die
Dunkelheit. Ich blinzelte, bis ich die Umrisse von Angeline erkannte, umhüllt
von himmlischem Licht. Ich schwöre, in diesem Moment hörte ich die Trompeten
von Jericho mit dem Gesang eines Kinderchors. Und sie war nicht allein. Ich
erkannte Veda und andere Mitglieder ihrer Familie. Zusammen mit einigen
unbekannten Gesichtern. Ihr Auftauchen hatte eine große Wirkung, denn die
Kämpfe wurden eingestellt. Ich sah noch Gabriels verwirrtes Gesicht, ehe
endgültig alles schwarz wurde.
Als ich aufwachte, tat
mir alles weh. Ein ungewohnter Zustand für jemanden, der es gewohnt ist, dass
selbst große Wunden binnen kurzer Zeit heilen.
Vorsichtig
öffnete ich die Augen und sah Hannahs Gesicht. Ich lächelte. Wenn das der
Himmel war, dann hatte ich nichts daran auszusetzen. Vorsichtig griff ich nach
ihr, fuhr ihr über die verschrammte Wange.
„Hab
ich etwa geschlafen?“ Mein Kopf fühlte sich träge an.
Hannah
nahm meine Hand. „Du warst fast den ganzen Tag bewusstlos.“
„Was
ist mit den anderen?“
Hannah
stockte.
Ich
fuhr hoch – und bereute die voreilige Bewegung im darauffolgenden Moment.
„Sag’s
mir. Wie schlimm ist es?“
Sie
sah mir fest in die Augen. „Ethan ist tot. Genauso wie Dimitri. Pandora und
Lysander haben überlebt, aber ihre Wunden heilen noch.“
Ich
sackte zurück ins Kissen. Ethan. Dimitri. Zwei verlorene Leben. Der starke
Anführer der Wölfe, der sein Leben für Hannah gegeben hatte. Und Dimitri,
Kassias Gefährte, der stille aber ebenso starke Dimitri.
„Was
ist mit Isobell?“
Hannah
erlaubte sich ein kleines Lächeln.
„Ihr
geht es gut. Sie sorgt sich wieder mal viel zu sehr um jeden.“
„… wie
sind wir da nun rausgekommen?“
Es
machte immer noch keinen Sinn. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass auf mein
Gedächtnis kein besonderer Verlass war, denn mein Schädel brummte wie ein
wütender Bienenstock. Ich war zu Boden gegangen. Hatte mir den Kopf
aufgeschlagen. Eigentlich keine Überraschung mehr.
„Nero“,
sagte Hannah. „Er ist mitten in Gabriels Haus teleportiert und hat wohl den
gesamten Rat über seinen Verrat in Kenntnis gesetzt. Dass er den
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