nasskalten Wolken. Es geschah in der Biologiestunde, gerade als
Mrs Masters uns die Eigenschaften des Endoplasmatischen Retikulums erklärte.
Kaylen
stieß mit dem Ellbogen versehentlich ihren Stift vom Tisch. Er rollte über den
Boden bis hin zu meinen Füßen.
Ich
hob ihn auf und gab ihn ihr. Einen kurzen Moment berührten sich unsere Finger.
Sie sah mich an. Eine Sekunde länger als normal. Erinnerte sie sich an mich?
Daran, was fast zwischen uns gewesen war?
„Danke,….
Ähm, wie war nochmal dein Name?“
Scheinbar
nicht. Auf Nero war wirklich Verlass.
Keine
Ahnung, was ich erwartet hatte.
Ich
winkte ab. „Kein Problem.“ Doch meinen Namen verriet ich ihr nicht.
Nach der Stunde stand sie
unentschlossen am Ausgang des Gebäudes, ihre Jeansjacke in der Hand. Ihr Blick
schweifte scheinbar ziellos in der Gegend umher, als hätte sie etwas liegen
gelassen, aber vergessen, was es war. Der Moment verstrich. Dann drehte sie
sich um und ging hinaus in den trüben Nachmittag.
Nach
etwa einer Minute rannte ich los. Ohne Gedanken. Ich sah ihre Silhouette, wie
sie von zaghaften Sonnenstrahlen umgeben war und kam hinter ihr zum Stehen. Der
Duft ihrer Haare umwehte meine Nase und mich erfüllte die Erinnerung an ein
Gefühl, an einen flauen Magen, einen Abschiedskuss.
Es
wäre so leicht, die Hand auf ihre Schulter zu legen.
Hey, mein
Name ist Henry, ich würde dich gern kennenlernen.
Doch
ich tat es nicht. Vielleicht weil ich sie nie wirklich geliebt hatte.
Vielleicht weil ich sie zu sehr liebte.
Stattdessen
atmete ich einfach nur durch, steckte meine Hände tief in die Hosentaschen und
ging. Ich bin nicht sicher wieso, aber ich fühlte mich seltsam frei, als ich
Kaylen hinter mir ließ und der Sonne den Rücken zuwandte.
Menschen. Immerzu machen
sie sich Gedanken. Sorgen um ihre Familie, ihren Job, Geld. Es ist lange her,
dass ich ein Mensch war. So lange, dass ich fast schon vergessen hatte, was es
bedeutet, einer zu sein. Trotzdem gab es immer einen Teil in mir, der Mensch
geblieben ist. Ich sorge mich um meine Familie. Um Isobell und die anderen. Um
meine Freunde. Was die Liebe angeht, so bin ich noch immer auf der Suche. Auf
der Suche nach der Einen, die so gar nicht perfekt ist. Genauso wenig, wie ich
es bin. Doch ich bin zuversichtlich, dass ich sie irgendwann finden werde.
Die
Eine nur für mich.
Menschen sind schon
erstaunliche Wesen.
Und
seit viel zu langer Zeit fühle ich mich endlich wieder wie einer von ihnen.
Lebendig.
ENDE
…oder?
Danksagung
Die Geschichte um den tollpatschigen
Vampirjungen Henry entstand 2010 aus einer albernen Laune heraus. In dem
Schreibforum, in dem ich seit Jahren tätig bin, (gegründet von der wunderbaren
Franky) stieß die kleine Blödelei auf so positive Resonanz, dass ich einfach
immer weiter schrieb. Danke an die Mitglieder. Ich muss euch nicht einzeln
aufzählen – ihr wisst, dass ihr gemeint seid.
Autorin
Holly Day ist eine blasse Pulshaberin
mit Angst vor Selbstbräunern und Solarien. Ihre Erfahrungen mit dem Übernatürlichen
beschränken sich auf ihre nicht unerhebliche Buch- und Filmkollektion. Und
falls je ein Schwachkopf in ihr Fenster einzusteigen versuchen sollte, wird sie
ohne Umschweife die Polizei rufen.
Impressum
Lisa Altmeier
Große Hohl 3b
55411 Bingen
Ausgabe 1.0
Das Cover wurde in Eigenregie
erstellt. Die beiden Fledermäuse sind gemeinfreies Bildmaterial.
Rechtschreibfehler gefunden? Anregungen, Kritik oder
Lob? Lust auf eine Fortsetzung?
[email protected]