Herbst
sie, wenn sie am Ende einer an hohen Träumen reichen Jugendzeit dem Letzten Ja sagen und die Hand geben? Wir Männer, wir treiben hundert Dinge, wir schaffen und forschen und arbeiten, wir haben Amt und Beruf und Schaffensfreuden – aber was haben sie, die Frauen, die nur in Liebe leben, nur auf Liebe hoffen können? Wie selten geschieht es, daß ihnen jener Letzte auch nur einen Teil von dem zu geben hat, was ihnen die Ersten, die Jünglinge und schüchtern-kühnen Anbeter versprochen, vorgedichtet und vorgelogen haben!
Der Sturm lief mich lärmend an und warf mir Regen und harte, welke Blätter ins Gesicht. Vorwärtskämpfend, gabich den Klagen Abschied und ließ die ungelösten Rätsel hinter mir liegen. Ich dachte daran, was wir alle einst als Knaben, als kühne, freche Knaben, vom Leben als unser gutes Recht erhofften. Und wie verzweifelt wenig davon wahr geworden ist! Und doch ist das Leben gut, und ist schön, und rührt uns jeden Tag mit heiligen Kräften ans Herz. Vielleicht geht es auch den armen Frauen mit der Liebe so. Man erzählte ihnen von Märchenwäldern und mondbeglänzten Gärten, und sie finden nachher ein rauhes Stück Land, wo statt Rosen geringe Kräuter wachsen. Von denen binden sie sich einen Strauß, stellen ihn ins Fenster, und wenn abends das Dunkel die Farben auslöscht und der singende Wind aus der Ferne her kommt, liebkosen sie ihren Strauß und lächeln, und es ist, als wären es Rosen und als wäre das Ackerland draußen ein Märchengarten.
Genug, genug! Was brennt die Lampe noch? In meinen Jugendgedichten kann ich morgen weiterlesen, dann ist meine Frau dabei und liest mit, und wenn mir wieder solche Fragen und Sorgen kommen, wird sie auch dafür eine Antwort wissen.
(1904)
/ MIT DEN KINDERN AM KAMIN /
Der Herbst ist jetzt gekommen,
Wir liegen am Kamin
Und sehen rot erglommen
Die frohen Funken ziehn.
Sie tanzen mit Gefunkel
Und wenn sie müde sind,
Vergehen sie im Dunkel,
In Wolken, Nacht und Wind.
Wir aber schaun und schweigen
Und unsre Flamme kracht,
Und tausend Funken steigen
In einem stillen Reigen
Frohlockend in die Nacht.
/ SPÄTHERBST /
Jetzt steht der ganze Garten leer,
Das Obst ist eingetan,
Spätrosen scheinen müde her,
Die sonst so farbig sahn.
Und bald, und bald wird auch bei mir
Der Herbst und Winter stehn:
So viele Tage blühten dir,
Nun laß die Ernte sehn!
Dann steh ich arm und weiß nicht mehr,
Wofür mein Herz geglüht,
Kaum daß darin noch ungefähr
Ein spätes Röslein blüht.
Das reiß ich ab und trags am Hut,
Der Weg ist nimmer weit,
Und nehme seine kleine Glut
Mit in die Dunkelheit.
// Gestern war ein fremder Herr bei mir, der machte mich darauf aufmerksam, daß im nächsten Jahr mein fünfzigster Geburtstag sei; darum sei er gekommen, um sich von mir allerlei aus meinem Leben erzählen zu lassen, für einen Gratulationsartikel, den er dann schreiben werde. Diesem Herrn sagte ich, es sei rührend von ihm, daß er sich so viel Mühe um mich gebe, ich hätte aber nichts zu erzählen, und daß er mich auf dies Jubiläum aufmerksam mache, sei gerade so nett, wie wenn zu einem Sterbenden einfremder Herr käme, ihn auf die Nähe seines Ablebens aufmerksam machte und ihm den Katalog einer bestempfohlenen Sargfabrik in die Hand drückte. Den fremden Herrn bin ich losgeworden, den üblen Geschmack auf der Zunge nicht. Es ist Herbst, es riecht nach Welke, nach grauem Haar, nach Jubiläen, nach Friedhof.
(Aus: »Herbst – Natur und Literatur«, 1926)
/ VERGÄNGLICHKEIT /
Vom Baum des Lebens fällt
Mir Blatt um Blatt,
O taumelbunte Welt,
Wie machst du satt,
Wie machst du satt und müd,
Wie machst du trunken!
Was heut noch glüht,
Ist bald versunken.
Bald klirrt der Wind
Über mein braunes Grab,
Über das kleine Kind
Beugt sich die Mutter herab.
Ihre Augen will ich wiedersehn,
Ihr Blick ist mein Stern,
Alles andre mag gehn und verwehn,
Alles stirbt, alles stirbt gern.
Nur die ewige Mutter bleibt,
Von der wir kamen,
Ihr spielender Finger schreibt
In die flüchtige Luft unsre Namen.
/ WIDMUNGSVERSE ZU EINEM
GEDICHTBUCH /
I
Ist’s auch nicht mehr Überschwang,
Tönt auch herbstlich schon der Reigen,
Dennoch wollen wir nicht schweigen:
Spät erklingt, was früh erklang.
II
Viele Verse hab ich geschrieben,
Wenig sind übriggeblieben,
Sind noch immer mein Spiel und Traum
Herbstwind schüttelt die Äste,
Farbig zum Erntefeste
Wehen die Blätter vom Lebensbaum.
III
Blätter wehen vom Baume,
Lieder vom Lebenstraume
Wehen spielend dahin;
Vieles ist
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