Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herbst - Stadt

Herbst - Stadt

Titel: Herbst - Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
Vom Netzwerk:
stolpernden Körper nichts und niemanden gesehen. Einige von ihnen – eigentlich den Großteil – hatte er ignorieren und mit geringen Schwierigkeiten passieren können. Sie sahen im Grunde relativ normal aus, nur ein wenig zerzaust, ungepflegt und stumpf in der Farbe, geradezu monochrom. Hin und wieder kam jedoch einer von ihnen näher heran, was ihn augenblicklich mit nervösem Brechreiz und Furcht erfüllte. Es schien, als ob die Wiederbelebung der Toten völlig willkürlich und ohne ersichtliche, logische Kriterien vor sich gegangen war. Vor fünf Minuten war Jack an einer Leiche vorbeigegangen, die eindeutig in einen entsetzlichen Unfall verwickelt worden war. Sie war seiner Meinung nach männlich gewesen, aber ganz sicher konnte er sich nicht sein. Der Körper war von Kopf bis Fuß von grausigen Verbrennungen bedeckt. Es schien keine einzige Hautstelle zu geben, die nicht bis zur Unkenntlichkeit verschmort war. Das Haar war bis zur Kopfhaut weggebrannt und das Gesicht – oder das schwarze Loch, an dessen Stelle sich das Gesicht befunden hatte – war gänzlich nicht wiederzuerkennen sondern nur eine zermalmte, verbrannte Masse. Einige Kleiderfetzen hingen, im Wind flatternd, immer noch am elenden Gerippe der Kreatur, das meiste davon schien jedoch entweder verbrannt oder in das verkrümmte, geschwärzte Fleisch eingeschmolzen zu sein. Aber irgendwie schaffte sie es, sich zu bewegen. Das blutige Ding hörte nicht auf, sich zu rühren, gleichgültig gegenüber den Schäden und den Verunstaltungen, die es erlitten hatte und sich der Schmerzen oder dem Schock, die es hätte fühlen sollen, nicht bewusst. Seine Augen waren ausgebrannte, leere Höhlen und es hatte kein Koordinationsvermögen, doch es schleppte sich immer noch vorwärts und prallte ungelenk gegen Mauern, geparkte Autos und andere Hindernisse. Es war mehr als alles andere der Geruch, der Jack an seine Grenzen trieb. Der Lufthauch hatte ihm einen Schwall des Gestanks nach verbranntem Fleisch zugeweht, der ihn sofort auf die Knie zwang und dazu brachte, seinen Mageninhalt in den Rinnstein zu entleeren.
    Obwohl er eigentlich vorgehabt hatte, umzukehren, falls nichts geschehen würde, brachte Jack eine unerklärliche Mischung aus Neugier und morbider Faszination, gepaart mit dem verzweifelten Wunsch, endlich auf andere Überlebende zu stoßen, dazu, weiter in Richtung der Stadtmitte zu gehen. Je weiter er sich von seinem Zuhause entfernte, desto sicherer wurde er in Bezug darauf. Als er sich jedoch dem Hauptzentrum der Stadt näherte, wurde das ungeheuerliche Ausmaß der Geschehnisse schmerzhaft deutlich. War bereits der kleine, unscheinbare Vorort, in dem er gelebt hatte, grausam von den Ereignissen gezeichnet worden, so erschien dies im Gegensatz zur Innenstadt geradezu nichtig. Hier, wo weitaus mehr Kaufhäuser, Büros, Fabriken und andere Gebäude eng beieinanderstanden, erschienen Tod und Zerstörung nicht enden wollend und schier unermesslich. Jack war überwältigt von der Größenordnung des Ganzen. Der lautlose Tod früh am Dienstagmorgen schien nichts unversehrt gelassen zu haben. Während er auf der einen Seite einer breiten mehrspurigen Schnellstraße entlangging, fasste er schlussendlich den Mut, laut zu rufen.
    »Hallo«, brüllte er und erschrak vor der Lautstärke seiner eigenen Stimme. »Hallo, ist hier irgendjemand?«
    Nichts. Kein Wunder. Er versuchte es wieder.
    »Hallo ...«
    Er hörte auf zu schreien und lauschte, als die Echos seiner Worte von den leblosen Gebäuden zurückgeworfen wurden und in den desolaten Straßen der Stadt widerhallten. Nun, da er ihr einziger Einwohner zu sein schien, wirkte die Welt plötzlich riesengroß und leer. In weiter Ferne konnte er einen einsamen Hund heulen hören.
    »Hallo ...«, rief er wieder.
    Niedergeschlagen fragte er sich, ob es sich lohnte, weiterzumachen. Er hatte sein Zuhause mit einiger, wenngleich kleinstmöglicher Hoffnung verlassen, doch mittlerweile hatte sich auch diese rückstandslos verflüchtigt. Aber konnte es tatsächlich sein, fragte er sich, dass er der einzige Überlebende war? Wie konnte es sein, dass er unter Millionen – möglicherweise Milliarden – in Mitleidenschaft gezogener Menschen überlebt hatte, wo doch alle Anderen zusammengebrochen und gestorben waren? Konnte es etwas damit zu tun haben, wo er sich befunden hatte, als es geschehen war? Hatte er einfach eine natürliche, angeborene Immunität in sich? Lag es daran, dass er nachts arbeitete? War es etwas

Weitere Kostenlose Bücher