Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herbst - Zerfall

Herbst - Zerfall

Titel: Herbst - Zerfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
Vom Netzwerk:
und sackte an anderen ab. Unter ihren hervorgequollenen Augen haben sich dort, wo das fleckige Fleisch herabhängt, Säcke gebildet. Ihr Körper scheint geradezu die Innenseite nach außen zu kehren. Die Schwerkraft hat ihre verrottenden Gedärme nach unten gezogen, die nun über ihre wackeligen Beine nach unten sickern. Selbst an der gegenüberliegenden Seite der Tür kann ich den Verwesungsgestank riechen.
    Seit dieser Albtraum begonnen hat, sind nun beinahe zwei Monate vergangen. Unlängst begann sich ihr Verhalten wieder zu verändern. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber sie scheint achtsamer zu sein denn je und sich meiner und der Anderen sowie sich selbst in höherem Maße bewusst. Ich bin mir nicht sicher, ob sie irgendeine Erinnerung daran hat, wer sie einmal gewesen ist und ich weiß nicht, ob sie begreift, was sie jetzt ist. Was auch immer sie weiß oder nicht weiß – ich könnte schwören, dass ich sie vor ein paar Tagen dabei erwischt habe, wie sie versuchte, die Tür zu öffnen. Ich fand sie dagegen gelehnt vor, während sie mehrmals mit der rechten Hand nach unten auf die Klinke schlug. Letztendlich bemerkte sie, wie ich am Fenster stand und hörte damit auf. Sie blickte mich ein paar Sekunden an, dann torkelte sie zurück in die Schatten. Ich wäre weniger besorgt gewesen, wenn sie gegen die Scheibe gelaufen wäre, doch das tat sie nicht. Genau genommen zog sie sich zurück und versuchte, außer Sichtweite zu gelangen, als sie bemerkte, dass ich sie beobachtete.
    Gestern Nachmittag schien sie kurzzeitig aus der Rolle zu fallen. Sie stand mitten im Raum und sah mich durch das Fenster geradewegs an. Ich konnte die Augen nicht von ihrem deformierten, verwüsteten Gesicht abwenden. Dabei ertappte ich mich dabei, wie ich mich erneut fragte, wer sie gewesen sein mochte, bevor das alles geschehen war und bevor die Krankheit oder was auch immer dafür verantwortlich war, sie in dieses unförmige Zerrbild eines lebendigen Menschen verwandelt hatte. Erinnerte sie sich, während sie mich anblickte, daran, wer sie einst gewesen war oder sah sie in mir lediglich eine Gefährdung ihrer eigenen Sicherheit? Sieht sie in mir einen Feind?
    Ich habe begonnen, sie zu hassen. Sie ist ein einzelner Leichnam in einer Welt, die von Millionen solcher gefüllt ist, doch da sie hier drin bei uns ist, kann ich nicht anders, als all meinen Schmerz und den Verdruss unmittelbar auf sie zu richten. Manchmal fühlt es sich für mich so an, als würde sie mich verspotten und alles, was ich dann tun kann, ist, sie nicht zu vernichten. Als sie mich gestern beobachtete, stand ich eine scheinbare Ewigkeit an der gegenüberliegenden Seite der Tür und hielt eine Axt in den Händen. Es drängte mich so sehr danach, sie restlos auszumerzen und in die Erinnerung zu schmettern.
    Mir ist bewusst, dass ich sie nicht angreifen kann. Wir brauchen sie immer noch.

1
    Webb bahnte sich seinen Weg durch das Gerümpel, das am Boden hinter dem Ladentisch des Tankstellenkiosks lag. Sie waren bereits etliche Male hier gewesen und hatten den Platz ausgemistet, doch vielleicht fand er heute noch eine letzte Packung Zigaretten, die er beim vorigen Mal übersehen hatte oder etwa eine zuvor unentdeckte Flasche Alkohol. Ein Blick lohnte sich allemal. Himmel, was hätte er gerade jetzt für eine Dose Lagerbier gegeben.
    Moment ... da waren Motorengeräusche.
    Er konnte das Motorrad und beide Lastwagen hören. Verdammter Mist, sie fuhren ohne ihn los! Die verdammten Idioten ließen ihn zurück! Keine Zeit, um nachzudenken. Er drängte sich hinter dem Ladentisch hervor, trat durch das verbogene Metall und das zerbrochene Glas, das sich nun anstelle der Eingangstür präsentierte und rannte dann nach draußen in die Mitte des Vorplatzes.
    »Wartet auf mich!«, brüllte er, während seine Stimme durch die Anstrengung, die das Schreien verursachte, rasch von einem kräftigen Ruf zu dem verzerrten Krächzen eines Rauchers verkam. Er krümmte sich hustend, schaute kurz auf und erhaschte einen flüchtigen Blick auf das Dach eines der Lastwagen, als dieser rückwärts in Richtung der Wohnungen beschleunigte. Es handelte sich dabei lediglich um ein flüchtiges Aufblitzen des Sonnenlichtes, das sekundenlang auf Metall traf, doch war es lange genug sichtbar, um in ihm keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass er nun vollkommen alleine war. Alleine, einmal abgesehen von einer unbändigen Meute von mehr als zweihundert toten Körpern. Das Dröhnen und Heulen der

Weitere Kostenlose Bücher