Zehnmall Männerliebe
Das Licht am Ende des Tunnels
Alles ist schwarz. Mein Leben, meine Seele und das Zeug unter meinen Fi n gernägeln. Ich will nicht mehr, doch wie immer soll es sauber und geplant vonstattengehen. Mein Plan geht nicht auf, denn erst klingelt eine Sekte an meiner Tür und dann geht es immer weiter. Nicht mal in R u he sterben darf man …
Die Vorbereitungen dauerten lange. Ich musste das ganze Wohnzimmer mit Folie abdecken, damit die Blutspritzer nicht den kostbaren Teppich oder die wertvollen Möbel verunreinigen würden. Als ich endlich fertig war, fiel mein Blick auf die Topfpflanzen und die Gardinen. Noch mehr Folie musste her und am Ende war mein Kreppklebeband alle.
Gut, es musste auch so reichen. Das Wohnzimmer glich einer abstrakten Folienlandschaft, die Christos Werke allesamt in den Schatten stellte. Ich lief in die Küche und schaute auf meine Checkliste.
Alles abgedeckt? Das war erledigt und ich strich den Punkt. Die Abschiedsbriefe, zwei Stück an der Zahl, lagen sauber verschlossen auf dem Tisch. Auch dieser Programmpunkt konnte abgehakt werden. Die Pistole, illegal auf der Reeperbahn erworben, lag parat, Munition auch. Einen Umschlag mit dem Wohnungsschlüssel würde ich gleich beim Nachbarn abgeben, damit das teure Schloss nicht aufgebrochen werden musste.
Die Wohnung gehörte mir und meinem Exfreund Nathan, der vor einem Monat einfach ausgezogen war. Er war auch der Grund für diese Aktion. Der Liebeskummer fraß mich auf und da ich ohnehin zu Depressionen neigte, war schon bald klar, dass ich ohne ihn nicht weiterleben wollte.
Nein, ich habe nicht das Gespräch mit Nathan gesucht, dafür war ich zu verletzt. Er meinte nur lapidar, ich würde ihn verrückt machen mit meiner Penibilität. Verstehen konnte ich das nicht, obwohl ich zugeben musste, dass ich manchmal ein kleines bisschen übertrieb. Socken durften zum Beispiel nicht zusammen mit Oberhemden in die Waschmaschine, da ich der Meinung war, sie würden den Geruch annehmen. Spinnerei, klar, aber so bin ich nun mal. Nathan und ich, wir wohnten zehn Jahre zusammen, da konnte das doch nicht plötzlich ein Trennungsgrund sein, oder?
Okay, für ihn anscheinend doch. Oliver, bei dem er untergekommen war, hat mich einmal angerufen und gefragt, ob ich noch alle Tassen im Schrank hätte. Ich habe nachgezählt und ihm bestätigt, dass sie alle noch dort waren. Mit einem wütenden Schnauben hatte er aufgelegt. Versteh mal einer die Menschen.
Wo war ich? Der Umschlag, genau. Gas, Wasser und Strom hatte ich vorsorglich abbestellt. Wer weiß, ob Nathan hier je wieder einziehen würde, nachdem mein Leichnam… Mir schauderte leicht und ich wandte mich wieder praktischen Dingen zu. Das Telefon inklusive Internet war auch gekündigt und der Kühlschrank so gut wie leer. Ich warf einen prüfenden Blick hinein. In einer Ecke kauerte ein Magermilchjoghurt, den ich kurzerhand verspeiste und danach das Kühlgerät gleich offenließ und abstellte. Das Tiefkühlfach hatte ich schon vor einer Woche abgetaut und leer war es auch. Jetzt noch schnell den Herd, die Kaffeemaschine und den Wasserkocher überprüft, alle waren aus.
Ich ging ins Schlafzimmer und guckte auf die blauen Müllsäcke, in die ich all meine Klamotten penibel zusammengefaltet gelegt hatte. So brauchte sie der freundliche Herr vom Secondhandladen morgen nur noch abholen. Die Betten waren frisch bezogen, die Schränke ausgewischt.
Im Badezimmer warf ich all mein Zeug in eine Plastiktüte und nahm diese mit in die Küche. Das Bad glänzte natürlich auch vor Sauberkeit. Einzig die Schränke, in denen noch Sachen von Nathan lagerten, hatte ich nicht angerührt. Ich brachte es einfach nicht übers Herz, sie zu berühren. Es würde in einem Meer von Tränen enden.
Ich warf die Badutensilien in die verschiedenen Mülleimer, nachdem ich sie sorgfältig nach Wertstoffen getrennt hatte. Zurück in der Folienlandschaft des Wohnzimmers schaute ich mich um. Die Pflanzen – ich würde sie besser noch einmal gießen. Wer weiß, wann man mich finden würde.
Gerade mit der Gießkanne in der Hand auf dem Weg in die Küche, hörte ich es an meiner Tür läuten. ‚Nathan‘, dachte ich und rannte erwartungsvoll hin, doch es standen zwei alte Schachteln vor der Tür. Die Breitere von den beiden herrschte mich im schönsten Bundeswehrton an: „Glauben Sie an Gott?“
Da mich diese Frage schon immer brennend interessiert hatte, bat ich die Damen herein und führte sie durch den Flur.
Weitere Kostenlose Bücher