Herr des Chaos
Frau wußte, war einfach zu abscheulich. Der seelische Zwang beispielsweise. Mit einem bestimmten Gewebe machte man sich Menschen zu willen, konnte ihnen Befehle erteilen, aber der Empfänger erinnerte sich nicht an diese Befehle, wenn er sie ausführte. Noch schlimmere Dinge. Zu abscheulich und vielleicht auch zu gefährlich, um sie irgend jemandem anzuvertrauen. Nynaeve meinte, sie müßten das lernen, um herauszubekommen, wie man einen solchen Angriff abwehrt, aber Elayne wollte nicht. Sie hielten soviel geheim, sie belogen so viele Freundinnen und Menschen, die ja letzten Endes auf ihrer Seite standen, daß sie sich fast wünschte, jetzt bereits die Drei Eide mit Hilfe der Eidesrute abzulegen, und nicht zu warten, bis sie zur fertigen Aes Sedai erhoben wurde. Einer der drei zwang einen, kein Wort mehr zu sprechen, das nicht der Wahrheit entsprach, und dieser innere Zwang ging jeder in Fleisch und Blut über.
»Ich war nicht so erfolgreich mit den Ter'Angreal, wie ich glaubte, Anaiya Sedai.« Das zumindest war ihre eigene Erfindung und niemand anders zuzuschreiben. Die ersten waren dieses Armband und die Halskette gewesen - eine sorgfältig geheimgehaltene Sache, das verstand sich von selbst -, aber das waren eben nur leicht veränderte Imitationen einer bösartigen Erfindung gewesen, des Adam, den die Seanchan zurückgelassen hatten, als ihr Invasionsheer bei Falme aufs Meer zurückgetrieben worden war. Die schlichte grüne Scheibe, die einer Frau gestattete, den Trick mit der Unsichtbarkeit anzuwenden, obwohl sie an sich nicht stark genug dazu war, und das waren eben nicht viele, war von Anfang an ihre eigene Idee gewesen. Sie hatte keine Gelegenheit gehabt, einen Angreal oder einen Sa'Angreal zu untersuchen, also war es ihr auch unmöglich gewesen, einen solchen anzufertigen. Bisher. Und selbst nach ihrem Erfolg, als sie dieses Gerät der Seanchan nachgemacht hatte, war es schwieriger gewesen, einen Ter'Angreal zu fertigen, als sie geglaubt hatte. Sie benützten die Eine Macht, anstatt sie zu verstärken; benützten sie zu einem einzigen, ganz bestimmten Zweck. Einige konnten sogar von Menschen benützt werden, die mit der Macht nichts anzufangen vermochten, sogar von Männern. Es hätte alles einfacher gehen sollen. Nun, vielleicht funktionierten sie nur so einfach, waren aber schwer herzustellen.
Ihre bescheidene Aussage löste bei Janya eine wahre Flut aus: »Unsinn, Kind. Absoluter Unsinn. Ich zweifle überhaupt nicht daran, daß Ihr - sobald wir wieder in der Burg sind und Ihr richtig getestet wurdet und man Euch die Eidesrute in die Hand gibt - nicht nur zur Aes Sedai erhoben werdet. Man wird Euch außer dem Ring auch gleich die Stola übergeben. Zweifellos. Ihr erfüllt alle Erwartungen, die man je mit Euch verbunden hat. Und noch mehr. Niemand konnte erwarten...« Anaiya berührte sie noch mal am Arm. Das schien ein verabredetes Signal zu sein, denn Janya blinzelte und schwieg augenblicklich.
»Nicht nötig, das Kind auch noch eingebildet zu machen«, sagte Anaiya. »Elayne, ich dulde kein Schmollen von Euch. Dafür seid Ihr schon lange zu alt.« Die Mutter konnte nicht nur freundlich, sondern auch sehr energisch sein. »Ich will nicht, daß Ihr wegen einiger Fehlschläge schmollt. Und das, obwohl Ihr so wunderbare Erfolge hattet.« Elayne hatte fünf Versuche gebraucht, um die Steinscheibe fertigzubringen. Zweimal war gar nichts geschehen; bei zwei weiteren Versuchen war sie ganz verschwommen zu sehen gewesen, und anderen wurde bei dem Anblick schlecht. Der eine, bei dem alles glatt ging, war der dritte Versuch gewesen. Mehr als nur ein paar Fehlschläge auf Elaynes Liste. »Alles, was Ihr vollbracht habt, ist wunderbar! Ihr und natürlich auch Nynaeve.« .
»Dankeschön«, sagte Elayne artig. »Ich danke Euch beiden. Ich werde mich bemühen, deshalb nicht zu schmollen.« Wenn eine Aes Sedai behauptete, man schmolle, durfte man um des Lichts willen nicht widersprechen. »Entschuldigt Ihr mich jetzt bitte? Wie ich hörte, wird die Gesandtschaft nach Caemlyn heute abreisen, und da möchte ich mich von Min verabschieden.«
Natürlich ließen sie sie gehen, obwohl das bei Janya sicher noch eine weitere halbe Stunde gedauert hätte, wäre nicht Anaiya dabeigewesen. Anaiya warf Elayne einen scharfen Blick zu. Sie wußte bestimmt alles über ihren Wortwechsel mit Sheriam. Doch sie sagte nichts.
Manchmal war das Schweigen einer Aes Sedai genauso laut wie ihre Worte.
Elayne strich über den Ring am
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