Hard Man
A HISTORY OF VIOLENCE
Wieder ein heißer Julitag. Der vierte in Folge. Nicht schlecht für Schottland.
Weniger gut für die Leiche im Kofferraum.
Jacob Baxter legte sich die Hand über Nase und Mund, um den Gestank zu dämpfen. Für einen Moment vergaß er dabei, dass seine Nase gebrochen war. Er schnappte nach Luft vor Schmerz. Zeit, noch ein paar Paracetamol zu nehmen, aber ohne ein Glas Wasser kriegte er die Pillen nicht runter. Er musste wohl warten, bis er wieder zu Hause war. Keine Ahnung, wieso der Arzt sich geweigert hatte, ihm was Stärkeres zu geben. Doch der Doc hatte Jacob nur gesagt, er solle wiederkommen, wenn die Schwellung zurückgegangen sei, erst dann könne er - wie hatte er es formuliert? - das Ausmaß des Schadens abschätzen. Er versicherte Jacob, dass die Nase nicht gebrochen war, aber überzeugt war Jacob nicht. Er hatte kein allzu großes Vertrauen in die ärztliche Kunst.
Er wandte den Blick von der Leiche. Seine beiden Söhne starrten weiter hin, als Jacob zu reden anfing. »Wir müssen Wallace aufhalten«, sagte er, »bevor May noch etwas passiert.«
»Versuchen wir’s eben ein zweites Mal«, sagte Flash.
»Ja, genau«, sagte Jacob.
Vorgestern Abend, auch wenn es viel länger her zu sein schien, waren sie zu dritt nach Trinity gefahren, wo Wallace allein eine winzige Zwei-Zimmer-Maisonettewohnung bewohnte, in der er nur wenige Monate mit May zusammengelebt hatte. Jacob war aufgefallen, dass Wallace das Fenster im Erdgeschoss kürzlich mit Brettern verbarrikadiert hatte, und fragte sich, ob ihm zu Ohren gekommen war, dass sie ihm einen Besuch abstatten würden. Hätte eine clevere Vorsichtsmaßnahme sein können, da sich die Fenster auf Straßenhöhe befanden und leicht einzutreten waren, auch wenn es nicht die Scheiben waren, die sie einschlagen wollten. Außerdem konnte Wallace unmöglich wissen, dass sie kamen. Sie hatten sich ja nicht grade telefonisch angekündigt. Nein, wahrscheinlich waren die Fenster schon vorher eingeschlagen worden. Von jemand anderem, den Wallace provoziert oder bedroht oder verdroschen hatte. Jede Menge Kandidaten. Oder vielleicht war es einfach eine Horde besoffener Idioten am Wochenende gewesen. Das Viertel hier war zwar eine schicke Wohngegend, aber von Wardie gleich nebenan konnte man das nicht behaupten.
Jacob hatte seine Söhne angeschaut, genickt und dann geklingelt. Er schlug sich wiederholt mit einem Schraubenschlüssel in die geöffnete Hand, während er darauf wartete, dass jemand an der Tür erschien. Es konnte losgehen. Sie waren bestens gerüstet, mit Wallace würden sie spielend fertig werden, gar kein Problem, Ruf hin oder her. Er war nur einer gegen drei, und diese drei waren Baxters. Zugegeben, Jacob selbst stellte keine riesengroße Bedrohung dar, denn, nun ja, er war Sechsundsechzig und lange nicht mehr so flink wie früher. Flash war, ehrlich gesagt, noch weniger bedrohlich: klein, dürr - Jacob wollte seinem Jüngeren nicht zu nahe treten, aber das Wort, nach dem er suchte, war >mickrig<. Mit Rog allerdings war das was anderes. Kaum zu glauben, dass die beiden Jungs die gleichen Eltern hatten. Rog, ein schwerer Bursche von fast hundertdreißig Kilo, hielt stolz den Hammer in der massigen Faust, und Jacob fühlte sich ganz schön sicher neben ihm. Rog war Rausschmeißer. Er war solche Sachen gewohnt. Und der Anzug, den Rog nie ablegte, verstärkte den Gesamteindruck. Jawoll, mit Rog war nicht gut Kirschen essen, und das in mehr als einer Hinsicht.
Jacob war sich sicher, dass Wallace vor ihrer geballten Kraft zu Kreuze kriechen würde. Als Wallace die Tür aufmachte mit seinem frisch gewaschenen, unschuldigen Babyface, zeigte Jacob daher selbstsicher mit dem Schraubenschlüssel auf ihn und sagte: »Lass die Finger von May. Lass meine Familie in Ruhe.«
Wallace nahm seine Brille ab und steckte sie in die Hemdtasche. Er sah gleich viel eher nach sechsundzwanzig aus. »May ist meine Frau.«
Richtig, aber sie war nur eine arme, kleine, fehlgeleitete störrische Göre. »Sie ist erst sechzehn«, sagte Jacob.
»Fickt aber, als war sie doppelt so alt«, sagte Wallace. »Muss dran liegen, dass sie so viel Übung hat.«
Das wäre nicht nötig gewesen. Das Blut pochte in Jacobs Schläfen. Mit diesem Tier war nicht zu reden. Wallace verstand nur eine Sprache. Jacob zog die Hand zurück und holte mit dem Schraubenschlüssel aus.
Und schlug daneben. Nein, noch schlimmer. Er schlug daneben und ließ sich schnappen. Wallace hatte sein
Weitere Kostenlose Bücher