Herr Lehmann: Herr Lehmann
Faden verloren.
„Wie jetzt, womit?" fragte er, ärgerlich äber sich selbst, „warum ...ist doch klar, ich meine . . . , kann man ja wohl mal fragen warum, das ist eine Frage . . . "
Junge, du faselst", kam es streng zuruäck. Ünd sprich mal etwas deutlicher, man kann dich ja kaum verstehen."
Nix da" , brauste Herr Lehmann auf, der jetzt ausgesprochen schlechtgelaunt war und sich des ganzen Elends dieser Situation bewußt wurde. Es ist erniedrigend, dachte er, fast dreißig Jahre alt zu sein und nach nur dreieinhalb Stunden Schlaf, dem ein Treffen mit einem Killerhund und zwei bescheuerten Polizisten voranging, mit schmerzendem Kopf und ausgetrocknetem Mund von der eigenen Familie beleidigt zu werden, von der eigenen Mutter, dachte Herr Lehmann, ausgerechnet von der Mutter, wo es doch immer heißt, daß die Mutter von allen Menschen dieser Welt derjenige ist, oder muß es diejenige heißen, dachte er zwischendurch, der oder die, ist ja egal, dachte er, der oder die jedenfalls unbedingtes Verstandnis haben sollte fär alles, was das eigene Kind so macht und tut. Berähmte Beispiele schässen ihm durch den
Kopf, Muätter von Serienmoärdern, die beteuerten, daß sie ihr Kind dennoch äber alles liebten und sich selbst die Schuld fär alles gaben, die jeden Morgen ganz fruh aufstanden und zum Gefängnis gingen, um ihrer verdorbenen Brut selbstgekochtes Essen und/oder Heroin zu bringen, woruber ihm dann auch wieder einfiel, worum es eigentlich ging.
„Jetzt här mal zu, Mutter", startete er erneut seinen Gegenangriff, „hier ist die Frage: Warum . . . "
Ich kann dich ganz schlecht verstehen. Hast du irgendwas im Mund?" EINE ZUNGE", rief Herr Lehmann giftig, du willst deutliche Sprache, Mutter, dachte er grimmig, kannst du haben. „IST ES BESSER SO?"
„Du brauchst nicht so zu schreien, ich bin nicht taub. Alles, worum ich dich bitte, ist, daß du etwas deutlicher sprichst oder jedenfalls nicht ißt, wahrend wir reden, das gehärt sich nun wirklich nicht."
Mutter, lenk jetzt nicht ab" , sprach Herr Lehmann uäbertrieben deutlich, was eingedenk seines dehydrierten Zustandes nicht leicht war. Die Dehydrierung, dachte er, aber auch der Mangel an Elektrolyten sind der wichtigste Grund fuär den Kater. Warum stehst du schon um sieben Uhr auf, das war die Frage. Du bist Hausfrau, außerdem ist heute Sonntag, Mutter, du hast den ganzen Tag nichts zu tun, jedenfalls nichts, was man nicht auch später als um sieben Uhr machen konnte, warum also, wenn ich das mal so fragen durfte, warum also stehst du in Dreiteufelsnamen morgens um sieben auf, nur um mich dann um zehn Uhr mit einem Anruf zu terrorisieren, dessen wesentlicher Inhalt darin besteht, mir zu sagen, daß du schon seit drei Stunden wach bist. Warum, Mutter, warum?"
Also . . . " , kam es leicht entruästet und ganz und gar nicht geschlagen aus der Leitung, . . . - warum nicht?"
Das, dachte Herr Lehmann, ist bemerkenswert. Sie ist 2ah, dachte er, soviel muß man ihr lassen, sicher eine der Eigenschaften, die ich explizit ihr verdanke, dachte Herr Lehmann, der immer schon der Meinung gewesen war, daß Zähigkeit eine seiner herausragenden Eigenschaften war, geschult durch lange und erlebnisreiche Jahre ohne festes Einkommen.
„Warum nicht? Warum nicht? Weil es sich nicht gehärt", griff Herr Lehmann zum A ä ußersten. Wenn du" - Herr Lehmann bemerkte mit Erleichterung, daß mit Hilfe von Adrenalin und Disziplin seine gewohnte Eloquenz zuriickkehrte - „selber sagst, daß es sich etwa nicht gehärt, Mutter, daß man mit vollem Mund spricht, selbst dann nicht, wenn man um ein Gesprach nicht gebeten hat, sondern nur mit Hilfe zigfachen Klingeins aus dem Schlaf gerissen wurde, einem durch Arbeit im Schweiße seines Angesichts wohlverdienten Schlaf, wie ich noch anmerken mächte, wenn du also sagst, daß sich ebendies nicht gehort, wie kannst du dann in Gottes Namen davon ausgehen, daß es in Ordnung sei, jemanden, der nachts sein Geld verdient, der die ganze Nacht, die ganze gottverdammte Nacht arbeitet, um sein Brot sauer zu verdienen, wenn ich das mal so sagen darf, so jemanden also aus dem Schlaf zu reißen, stumpf hundertmal das Telefon klingeln zu lassen, obwohl einem dann klar sein muß, daß derjenige entweder nicht da ist oder schläft, wie also kannst du davon ausgehen, daß sich so etwas gehort? Ganz zu schweigen davon, daß, wenn du die Frage, warum du um sieben Ühr aufstehst, mehr als schlicht mit den Worten 'warum nicht' beantwortest, sich
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