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Herr Lehmann

Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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jetzt, wo ihn jemand sah, etwas komisch dabei vorkam, wie er auf dem Asphalt saß, mit einer Flasche Whisky neben sich, stand er nicht auf, er war viel zu müde und wollte den Hund nicht reizen. Er verrenkte sich den Hals und sah der Frau entgegen, die, wohl weil sie ihn und den Hund erblickt hatte, ihren Schritt beschleunigte und ganz auf die andere Seite des Weges wechselte.
    “Entschuldigen Sie”, begann Herr Lehmann, als sie auf seiner Höhe war, aber die Frau sah nicht zu ihm hin, sie blickte starr nach vorne und legte noch einen Zahn zu, als er das Wort an sie richtete. Der Hund sah zur anderen Seite und ließ sich nichts anmerken. “Warten Sie doch mal”, rief Herr Lehmann verzweifelt, “ich habe hier nämlich ein Problem, das ist nämlich …” - die Frau, so dick sie auch war, fing an zu rennen und war verschwunden, bevor er den Satz zu Ende bringen konnte. Der Hund knurrte zufrieden.
    “Scheißblöde Kuh”, sagte Herr Lehmann und wandte sich dann wieder an den Hund. “Harro?” Auch dieser Name bewirkte nichts. “Bello, Rüdiger, Fiffi - nein, wie ein Fiffi siehst du eigentlich nicht aus - Kuddel, Saftsack -wie gehen denn jetzt diese Hundenamen noch mal - Otsche?” Otsche, so hatte der Hund einer lange verstorbenen Großtante von ihm geheißen, es war ein kleiner Langhaardackel gewesen, den am Ende ein Lieferwagen überfahren hatte, Herr Lehmann hatte ihn damals, als er noch ein Kind war, aus tiefstem Herzen gehaßt. “Wastl, Hansi, Lassie, Wauwau, Watschel, Spinnebein …” Der Hund zeigte kein Interesse. “Watzmann, Bootsmann, Boxi, Boskop …”
    Herr Lehmann verlor die Lust an diesem Spiel. Das ist ja alles Unsinn, dachte er, ich bin ja betrunken. Er nahm noch einen Schluck von dem Whisky und schüttelte sich.
    “Du mußt wissen”, sagte er dann, daß ich Hunde schon immer gehaßt habe. Schon als kleines Kind. Und das ist lange her. Hunde gehören nicht in die Stadt, ich hab immer Angst gehabt vor Hunden. Hallo! Hallo, Polizei!” rief er schwach, als er einen Polizeiwagen den Platz entlangfahren sah. Er hob eine Hand und winkte, aber der Wagen fuhr vorbei, ohne daß man ihn bemerkte.
    “Da kannst du aber froh sein”, belehrte er den Hund, “die hätten dich erschossen, aber ruckzuck. Noch denkst du, daß du im Vorteil bist, aber das kannst du vergessen. Strategisch bist du im Nachteil. Der Mensch ist dem Tier überlegen. Wenn du ein Wolf wärst und ich irgendein Bauerndepp, der durch den Wald latscht, dann hättest du vielleicht eine Chance. Aber wir sind hier in der Stadt. Es werden Leute kommen und mir helfen. Und dich wird man einsperren. Außerdem ist der Mensch im Gegensatz zum Tier in der Lage, Werkzeuge zu benutzen, Werkzeuge, du Scheißtyp, denk mal drüber nach. Das ist der entscheidende Unterschied, Werkzeuge, damit fing alles an. Zum Beispiel diese Flasche hier!” Er hob die Flasche, und der Hund knurrte. Ich könnte dir diese Flasche auf den Kopf hauen, da sähst du aber alt aus.
    Das ist zwölf Jahre alter Whisky. Irischer Whisky. Kostet irn Einkauf über 40 Mark oder so, was weiß ich denn, 2cl kosten bei Erwin sechs Mark, das mußt du dir mal reintun, obwohl, so genau messen wir das auch nicht ab.” Wenn man Schnaps trinkt, dachte Herr Lehmann, dann redet man immer zuviel. Und zuviel Unsinn. Und mit Hunden, dachte er, das ist das Schlimmste von allem.
    Er goß, nur um einmal etwas anderes zu tun, die Verschlußkappe voll und hatte sie schon an den Mund gesetzt, als er den interessierten Blick des Tieres bemerkte. Zum Test hielt er die gefüllte Kappe erst nach links, dann nach rechts, und der Hund folgte ihr mit den Augen, sein Maul stand offen, die Zunge hing heraus, und er hechelte aufgeregt.
    “Aha!” sagte Herr Lehmann. Verstehe”, sagte er, “dann paß mal auf!”
    Er beugte sich vor und warf die gefüllte Kappe so nach vorn, daß sie zwischen den Vorderpfoten des Hundes landete und der Schnaps sich in einer kleinen Lache dazwischen ausbreitete. Der Hund roch daran, rückte seinen unförmigen Leib zurecht und begann, die Flüssigkeit aufzulecken.
    “Kannst noch mehr haben”, sagte Herr Lehmann, und er überschwemmte den Gehweg, der aufgrund einer glücklichen Fügung zum Hund hin etwas abfiel, mit Schnaps. “Scheinst ja dran gewöhnt zu sein”, sagte er, als er sah,
    wie gierig der Hund das kleine Rinnsal aufschlabberte, das ihm entgegenfloß. “Gehörst wahrscheinlich irgendeinem Penner”, sagte Herr Lehmann und nahm auch gleich selbst noch einen

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