Herr Möslein ist tot (German Edition)
können, ob ich geträumt oder wirklich eine Zeitreise unternommen habe, ob ich Carsten 2006 im Netz getroffen habe oder schon lange mit ihm verheiratet bin… oder doch schon wieder geschieden?
Durch die schmutzigen Fenster strahlt die Morgensonne auf das hohe, rote, mit Ordnern gefüllte Regal. Auf dem gläsernen Schreibtisch steht mein PC , der IKEA -Raumteiler beherbergt die Stereoanlage, meinen Terminkalender und meine Lieblingsbücher. Alles wie immer. Bestimmt habe ich nur schlecht geträumt! Gedankenversunken hebe ich die Fernbedienung des DVD -Players auf und klicke deren Einzelteile wieder zusammen. In dem Moment wird die DVD zum Leben erweckt. Aus den Boxen erklingt Nina Hagens Hit »Du hast den Farbfilm vergessen«. Im Rhythmus der Musik drehen sich alte Fotos auf dem Fernsehbildschirm: Betty und ich im knappen Netztrikot mit einem Volksmusiker in der Stadthalle Karl-Marx-Stadt; Pauli mit artigem weißen Kragen auf einem dunkelblauen Hängerkleid, Tati bei der Zersägenummer mit Zauberer Sylvester bei den Augenärzten. Beim nächsten Foto bleibt mir fast das Herz stehen. Ich drücke auf Pause und sehe … das Foto aus Alus Album. In der Josephienenstraße Karl-Marx-Stadts. Ein Foto, das es nicht geben dürfte, weil es bei der Flucht meiner Schwester zurückblieb und dann abhanden kam. Sie hat mir ihre Alben nur im Traum geschickt. Ich werde panisch.
Die Fernbedienung in meiner Hand zittert, während ich versuche vorzuspulen. Vielleicht … hoffentlich hatten meine Eltern auch einen Abzug dieses Fotos? Ich will jetzt wissen, ab wann Carsten in meinem Lebensfilm eine Rolle spielt. Der DVD -Player spinnt und springt in Riesenschritten voran. Erst zwanzig Jahre nach den eben gesehenen Ereignissen lässt er sich wieder in den Play-Modus zwingen. Der Abspann läuft zu Carstens und meinem Lieblingslied »Liebe meines Lebens« von Phillip Poisel:
»Und so wird es immer bleiben
und du kannst gar nichts dagegen tun,
weil du die Liebe meines Lebens bist!«
Ich lese die durchs Bild laufenden Glückwünsche meines Liebsten zum Fünfzigsten: »Von ganzem Herzen alles erdenklich Gute. Ich liebe dich, denn: Was ist, ist richtig … und damit was war sowieso!«
Ich bin verwirrt. Das klingt, als würde er …. nein, diesen Gedanken lasse ich nicht zu! Ich lass mich doch nicht irre machen. Chica springt auf meinen Schreibtisch und mauzt um meine Aufmerksamkeit. Mein Blick zu ihr durch den Raumteiler bleibt an einem Buch hängen. Meinem ersten Buch: »finde-mich-sofort.de«. Ja! Sicherheitshalber vergewissere ich mich, überfliege die ersten Zeilen und atme, als ich das Wort »Carsten« lese, hörbar aus. Erleichtert stelle ich das Buch zurück ins Regal. Wie idiotisch, anzunehmen, ein Traum wäre Realität. Ich nehme Chica auf den Arm und tapse durch den Flur Richtung Küche. Als ich die Tür öffne, erwartet mich ein festlich gedeckter Frühstückstisch, mit Sekt und Eierkuchen an Orangenspalten. Mhm. Wie lecker, wie heimelig.
»Guten Morgen, Geburtstagskind!« Carsten schubst die Katze aus meinen Armen und gibt mir einen Kuss.
»Danke für die DVD , Süßer. Ich bin so glücklich, dass es so ist, wie es ist!«, zitiere ich den Abspann freudestrahlend. »Ich auch«, erwidert Carsten. Wir stoßen mit Sekt an, und ich greife gierig, als ob ich seit Wochen nichts Vernünftiges mehr gegessen hätte, nach den Eierkuchen mit Orangenspalten.
»Mhm. Ist das lecker!«, stöhne ich. »Ich kenne nichts, was mir jetzt besser schmecken würde, nicht mal Omas Schweinebraten.« Carsten kaut für diesen besonderen Tag viel zu still an seinem Marmeladenbrötchen. Nachdem er alles heruntergeschluckt hat, schaut er mich nachdenklich an, lächelt schief und fragt: »Tati, wer hat dir eigentlich den Unsinn erzählt, dass ich früher Schlagersüßtafeln mochte?«
Ich bedanke mich von Herzen bei allen Freunden und Bekannten, die ihre Geschichten und Erfahrungen mit mir teilten, sich Zeit nahmen, mir zuzuhören, Manuskripte zu lesen und Ideen zu diskutieren. Vor allem danke ich Ivett Banz, Alexandra Winkler, meinen Eltern, meiner Tochter und dem Mann, den ich liebe.
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Tatjana geht auf in ihrer Arbeit, hat gute Freunde, ihre Katze Chica. Und sie ist glücklich liiert mit Carsten, ihrem Traummann. Alles gut, wenn Tatjana nicht schon über vierzig wäre! Höchste Zeit, sagt ihre Mutter, den Angebeteten unter die Haube zu bekommen.
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