Herrscher der Eisenzeit
hinterhergeschlichen?«
»Mich hat niemand geschickt, ich bin …«
»Hör auf zu lügen!«
Ein Mann springt auf, und mit dem ausgestreckten Arm auf Aleso zeigend, schreit er: »Er ist eine Gefahr für uns alle! Er muss sterben!«
Aleso ist kurz davor zusammenzubrechen. Der Mann mit dem ausgestreckten Arm verschwimmt vor seinen Augen. Seine Gedanken wirbeln durcheinander, und er fühlt seine Sinne schwinden.
»Dann wirst du mich zuerst töten müssen!«, tönt eine Stimme drohend aus dem dunklen Hintergrund. Aleso sackt zusammen. Tränen schießen ihm in die Augen. Sein Vater!
Ein allgemeines Gemurmel wird laut, doch dann steht der Krieger, der vorhin die Rede gehalten hat, auf und tritt in die Mitte der Versammlung. Sofort verstummen alle. Woher auch immer, aber plötzlich weiß Aleso auch den Namen des Mannes wieder: Motuedios.
»Pistilos, setz dich wieder hin und nimm die Hand vom Schwertgriff!« Er hat nicht einmal laut gesprochen, doch Pistilos gehorcht augenblicklich.
»Lasst uns mit kühlen Köpfen an die Sache herangehen«, fährt Motuedios fort. Er legt eine Pause ein, als würde er auf Widerspruch warten. Die schweigende Zustimmung der Krieger lässt Aleso tief durchatmen.
»Pistilos’ Standpunkt ist nicht von der Hand zu weisen. Da wir nicht wissen, wie viel der Junge gehört hat, wäre es zu gefährlich, ihn einfach so gehen zu lassen.«
Aleso wird es schwarz vor Augen. Er will davonlaufen, aber seine Füße scheinen in der Erde zu stecken. Auch das Zittern ist wieder da.
»Ich habe einen Vorschlag, und ich bitte die Versammlung der edlen Krieger ihn wohl zu durchdenken. Den Jungen zu töten wäre fürden Augenblick sicher die einfachste Lösung, aber für unsere Unternehmung brauchen wir das ganze Wohlwollen der Götter. Wäre es also sinnvoll, sie gegen uns aufzubringen, indem wir unter Umständen die falsche Entscheidung treffen? Wenn wir ihn ohne Grund in die Andere Welt befördern, wessen Leben werden die Götter fordern, um das Gleichgewicht wiederherzustellen? Nein, wir müssen die Angelegenheit auf andere Weise bereinigen.«
Er wendet sich von seinen Zuhörern ab und durchmisst mit wenigen Schritten den Kreis, bis er vor Aleso steht. Dieser hat bis dahin den Kopf gesenkt gehalten, seinem Schicksal ergeben. Jetzt blickt er auf. Ihre Augen begegnen sich, und Aleso spürt, wie er allein durch den Blick des Vaters ruhiger wird.
»Aleso – das ist doch dein Name? –, du wirst jetzt eine Entscheidung fällen, die dein ganzes restliches Leben beeinflussen wird. Ich werde dich jetzt in unseren Plan einweihen.«
Ein aufgebrachtes Raunen geht durch die Runde, gepaart mit Fassungslosigkeit, teilweise sogar Entsetzen. Unbeirrt fährt Motuedios fort.
»Du bist noch sehr jung, aber als der Sohn eines großen Kriegers kennst du unsere Geschichte und weißt, wie die Tectosagier früher gelebt haben. Das Land, auf dem wir leben, das Land, das uns seit über 300 Jahren ernährt, haben wir uns in harten Schlachten erstritten und seither in noch härteren Kämpfen verteidigt. Es ist uns gut gegangen, noch immer zählen wir nach jedem Winter mehr Köpfe als in dem davor. Doch kannst du dich erinnern, wann wir das letzte Mal versucht haben, die Grenzen unseres Territoriums zu erweitern, um den vielen Menschen auch genügend Raum zum Leben zu geben?« Motuedios unterbricht seine Rede. Seine Stimme ist laut und bitter geworden. Er holt tief Atem, dann spricht er ruhig weiter. »Wir sind eine Gruppe von Kriegern, die noch an die alten Traditionen glauben, etwas, das unserer Stammesführung im Laufe der Zeit fremd geworden ist. Vor einiger Zeit haben wir beschlossen, die Geschicke unseres Stammes mit Hilfe der Götter in unsere eigenen Hände zu nehmen. Unsere Zahl wächst ständig, wir warten auf denTag, an dem uns die Götter das Zeichen geben werden, und wir fühlen, dass dieser Tag bald kommen wird. Dann werden wir die Macht übernehmen und für unser Volk mehr Land und Wohlstand erstreiten.«
Alesos Gedanken rasen. Ein Aufstand! Diese Männer haben geplant, die Stammesführung zu stürzen! Und sein Vater ist unter ihnen!
Dann wird ihm siedend heiß.
ER SELBST IST JETZT UNTER IHNEN!
»Dein Schicksal liegt nun einzig und allein in deiner Hand, mein Junge. Du wirst dich vielleicht fragen, warum ich dir alles erzählt habe.« Aleso nickt. »Du wolltest wissen, was wir besprechen und hast uns belauscht. Wir wollen, dass niemand von unserem Vorhaben erfährt. Du hast jetzt die Wahl. Wir bieten dir an
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