Herz im Spiel (German Edition)
Klassenraums klatschte kräftig in die Hände, und die Vorleserin hielt inne und blickte wie die übrigen Mädchen auf, um neugierig die neue Schülerin in Augenschein zu nehmen, die ihren Unterricht störte.
„Mädchen, dies ist Miss Marianne Trenton. Miss Trenton, Sie können sich hierher setzen, in die letzte Bank. Judith, kümmern Sie sich darum, dass Miss Trenton ein Exemplar von Dantes Göttlicher Komödie erhält. Nedra, Sie dürfen fortfahren. Wir befinden uns in der Hölle …“
Die Mädchen waren recht nett, doch Marianne fiel es schwer, in der Schule Freundschaften zu schließen. Eine Woche verging, ehe sie einen vollständigen Satz mit jemandem sprach, und zwei, ehe sie irgendwelche persönlichen Informationen über sich preisgab. Diese bestanden jedoch nur darin, dass sie Nedra, der blassen Vorleserin aus jener ersten Unterrichtsstunde, ihr Alter und ihr Geburtsdatum mitteilte.
Marianne und Nedra Stevens fanden zusammen wie zwei fallende Blätter, die auf einem wirbelnden Strom in dieselbe Richtung getrieben wurden.
Während der beiden vergangenen Jahre, die so wichtig für ihr Leben gewesen waren, war Marianne ziemlich isoliert gewesen und hatte keine Ahnung, welches Verhalten von Mädchen ihres Alters erwartet wurde. Daher zog sie sich in ihr Schneckenhaus zurück, und sogar einen Monat später hatte die sanfte Nedra es kaum geschafft, sie ein Stück daraus hervorzulocken.
Da sie ein Jahr jünger war als Marianne, stellte sie keine Bedrohung dar. Ihr Äußeres war farblos und ihr Temperament ruhig. So schüchterte sie Marianne weder ein, noch drängte sie sie in den Hintergrund. Wenn Marianne sich von ihren Büchern losreißen konnte, verbrachten die beiden Mädchen manchen Nachmittag miteinander.
Nedra erzählte ihr, dass sie in einem Haus hoch über dem Meer lebte. Marianne beschrieb das ihr so geheimnisvoll erscheinende Kingsbrook. Nedra berichtete Marianne von ihren beiden Brüdern, die beide älter waren als sie, ihrer kränkelnden Mutter und ihrem Vater, der davon lebte, dass er den Seeleuten in der Gegend wasserfeste Kleidung verkaufte … und von ihrem Cousin, in den sie sich schon im Alter von sieben Jahren hoffnungslos verliebt hatte.
Marianne ihrerseits erwähnte wohl ein- oder zweimal ihren Vormund und seine äußere Erscheinung.
Tatsächlich bestürzte es Marianne sehr, dass Mr Desmond ihr so oft durch den Kopf ging. Zum einen lag das an jenem Umschlag, den sie jede Woche von dem ehrenwerten Mr Bradley erhielt.„Mr Desmond hat mich angewiesen, Ihnen ein kleines Taschengeld zu zahlen, das die diversen kleinen Auslagen einer jungen Dame decken soll“, erklärte Mr Bradley in dem Brief, der den ersten Geldschein begleitete. Für ihre Kleidung war gesorgt, sie bekam zu essen, Unterkunft und Bücher wurden ihr gestellt, und so gab es sehr wenige zusätzliche „kleine Auslagen“, für die sie das Geld hätte ausgeben können.
Jede Woche nahm sie den Geldschein aus dem Umschlag und steckte ihn in das erste, sehr steife und förmliche weiße Kuvert, das sie von der Anwaltskanzlei erhalten hatte. Nach zwei Monaten war dieser Umschlag sehr dick geworden und erinnerte Marianne unweigerlich an Mr Desmond und an die Gunstbezeugungen, für die er vielleicht im Voraus zu bezahlen glaubte.
Doch noch aus einem anderen Grund fiel es ihr schwer, die Gedanken an Mr Desmond loszuwerden: Bisher hatte sie nur Onkel Horace und jetzt Mr Brannon, den Geschichtslehrer, zum Vergleich gehabt, aber nun ging ihr langsam auf, wie ungewöhnlich attraktiv ihr Vormund war.
Mrs River schrieb Marianne regelmäßig. In fast jedem Brief drängte sie sie, für einige Zeit nach Kingsbrook zu kommen. Marianne beantwortete die Briefe immer, doch die Einladungen lehnte sie ab. Als Vorwand führte sie ihre Studien an, die sie unmöglich unterbrechen konnte.
Doch unerbittlich vorstrich die Zeit. Ein Tag folgte auf den anderen. Und im Dezember schien es, als verlasse jedes Mädchen und auch fast jeder Lehrer die Akademie, um die Weihnachtsferien bei Familie und Freunden zu verbringen.
Mrs Rivers Brief vom dritten Dezember ließ keine Ausflüchte mehr gelten.
Rickers wird am nächsten Wochenende kommen, um Sie abzuholen. Um diese Zeit ist Kingsbrook herrlich, und wir haben Sie alle vermisst. Sogar Mr Desmond hat mir versprochen, dass er nicht den ganzen Monat in Reading oder London zu tun haben wird, sodass Sie ihn, wenn Sie Glück haben, ebenfalls zu sehen bekommen .
Wir freuen uns darauf, Sie bei uns zu haben
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