Herz im Spiel (German Edition)
hoch.
„Mr Cranston hat recht, Mr Desmond“, meinte Dweeve mit einem merkwürdig ernüchternden Unterton, der Desmond auf seinen Stuhl zurücksinken ließ. „Mr Carstairs lässt in der Stadt verbreiten, er könne zu Höchstpreisen unberührte Schulmädchen beschaffen. Offensichtlich hat ein Monsieur Philippe de Rauchenout genau so eine junge Dame bestellt.“
„Unmöglich“, sagte Desmond, obwohl er schon geneigt war, den beiden zuzustimmen.
„Ganz und gar nicht. Wir kennen zwar Carstairs’ Quellen noch nicht, doch man hat Monsieur Rauchenout versichert, Miss Prince sei völlig unberührt. Andernfalls werde man ihm sein Geld zurückerstatten. Und Mr Carstairs würde niemals ein solches Angebot machen, falls diese Möglichkeit bestünde.“ Cranstons Blick forderte Desmond auf, ihm zu widersprechen, was dieser natürlich nicht konnte.
Desmond kniff die Augen zusammen. „Sagten Sie Miss Prince? Kennen Sie den Vornamen des Mädchens?“, fragte er. Der Name, den Cranston erwähnt hatte, kam ihm bekannt vor.
Cranston blätterte in seinem Notizbuch und wandte sich dann nach hinten, um sich mit seinem Partner zu beraten. Mr Dweeve nahm das Notizbuch, schlug die Seiten um und hielt ein- oder zweimal inne, um die hingekritzelten Zeilen zu lesen, bevor er endlich den Eintrag fand, den er suchte. Er zeigte ihn Mr Cranston, der das Notizbuch zurücknahm und blinzelnd versuchte, die Handschrift zu entziffern.
„Sieht aus wie ‚Sylvia‘“, meinte er, „obwohl ich nicht ganz sicher bin.“
„Aber ich bin sicher“, sagte Desmond hart.
Sowohl Cranston als auch Dweeve blickten neugierig zu ihm auf. „Sie kennen Miss Prince?“, fragte Cranston.
„Ich habe von Miss Prince gehört . Miss Trenton hat sie an der Farnham-Akademie kennengelernt. Und Sie sagen, Mr Carstairs hat sie diesem Monsieur Rauchenout ausgeliefert?“
„Er hat es getan, oder wird es bald tun“, bestätigte Cranston.
„Halten Sie ihn auf“, verlangte Desmond.
„Ihn aufhalten?“
„Finden Sie das Mädchen, und holen Sie es von ihm fort“, befahl Desmond ungeduldig. Ihm war nur zu klar, was sie unternehmen mussten.
„Unsere Quellen sind unbestimmt, unsere Informationen beruhen eher auf Hörensagen und Gerüchten als auf Belegen. In dieser Stadt ein einzelnes Mädchen zu finden wird Zeit und Geld kosten“, meinte Cranston warnend.
„Viel Zeit haben wir nicht mehr“, erinnerte Desmond die beiden.
Sich selbst brauchte er nicht ins Gedächtnis zu rufen, dass er auch nicht viel Geld besaß. Sicher, er hatte die Produktivität seines Gutes gesteigert, aber die Einkünfte reichten gerade für den Unterhalt des Herrenhauses und des Parks. Desmond war fast versucht zu glauben, dass er jede notwendige, ja phänomenale Summe beim Glücksspiel gewinnen könnte, aber er war nicht mehr jung und besessen genug, als dass ihm das wirklich möglich erschienen wäre. Dennoch zögerte er nicht, als Mr Cranston seine Bedenken formulierte.
„Finden Sie das Mädchen. Zerren Sie es aus Rauchenouts Schlafzimmer, falls das nötig ist.“
Das Geld würde er schon irgendwie auftreiben. Das war jetzt nicht von Belang. Wichtig war nur, das Mädchen aus Carstairs’ Klauen zu befreien.
Sylvia kehrte nicht nach Farnham, an die Akademie, zurück. Niemand verschwendete einen Gedanken an sie, als bekannt wurde, sie werde nicht zurückkommen, jedenfalls niemand außer Judith und Marianne.
Marianne war klar, dass Judith ihre Freundin vermisste. Das Mädchen verstand nicht, wiesoSylvia ihr nicht schrieb. Aber man hörte nie wieder von Miss Prince, und nach ein paar Wochen war die Erinnerung an sie fast verblasst.
Was Marianne selbst anging, so erschienen ihre Studien ihr bei Weitem nicht so interessant wie die Schülerintrigen auf ihrem winzigen Campus. Sie war nun eines der älteren Mädchen der Schule und begann zu argwöhnen, dass die Lehrkräfte in Farnham ihr nicht viel mehr beibringen konnten. Die Lektionen waren leicht und voller Wiederholungen, und Marianne stellte fest, dass der Unterricht sie langweilte.
Ihr Kopf war voller Bilder von Kingsbrook und seinem faszinierenden Besitzer. Letztes Jahr hatte der Gedanke an die Rückfahrt Marianne furchtbar nervös gemacht. Dieses Jahr konnte Marianne sie kaum erwarten, und als endlich Anfang Dezember Mrs Rivers Brief eintraf, in dem es hieß, Rickers werde erst in einer Woche eintreffen, meinte sie, das Warten müsste sie noch wahnsinnig machen.
An einem frischen, eiskalten Tag fuhr sie endlich in der
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