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Herz und Fuß

Herz und Fuß

Titel: Herz und Fuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bax
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schaute mir freundlich ins Gesicht, als er mir die Papiere durch die Scheibe reichte. »Gute Fahrt und bringen Sie die beiden Damen heil ins Bett.« Er tippte sich an die Mütze und ich verbat mir, erleichtert aufzustöhnen. Rose-Lotte verbat sich das nicht.
     
    Helmut kam uns ungehalten entgegen. »Wo bleibt ihr denn?«
     
    »Frag lieber nicht.« Ich hob mit ihm zusammen den ersten Sack aus dem Auto und stellte ihn auf den stockdunklen Weg. Jetzt, wo die Autoscheinwerfer erloschen waren, gab es nichts mehr, das ihn erhellte. Wir trugen im Schein der Taschenlampe die Säcke tief in die totale Dunkelheit.
     
    »Vorsicht hier.« Helmut bog die Dornenhecke ein wenig zurück, sodass sie einen schmalen natürlichen Pfad freigab. Am Ende des Pfades konnte ich ein dunkles Loch erkennen, neben dem zwei Schaufeln lagen. »Hier rein.« Wir folgten Helmuts Anweisungen und zwei Fuhren später lagen die Säcke in der Dunkelheit der Kuhle.
     
    »Angenehme Nachtruhe.« ErzEngel nahm einen Erdklumpen vom Hügel, den Helmut herausgeschaufelt hatte, und warf ihn auf die Säcke. Rose-Lotte tat es ihr nach und es sah aus, als ob sie dabei ein Gebet sprach. Ich nahm mir eine der Schaufeln und dann ließ ich zusammen mit Helmut Rose-Lottes größtes Problem unter einer dicken Erdschicht verschwinden. Um halb fünf packte Helmut die dreckigen Schaufeln wieder in seinen Wagen und ich den Rest der Trauergemeinde in mein eigenes Auto.
     
    »Wir sehen uns ja gleich.« Er stieg in seinen Wagen.
     
    Ich hielt ihn kurz am Ärmel fest. »Danke, Helmut.«
     
    Er nickte und fuhr davon.
     
    ErzEngel hatte Rose-Lotte in einen zu großen Schlafanzug gepackt und als ich aus meiner Wohnung hinunterging, um noch einmal nach den beiden zu sehen, bürstete sie ihr gerade liebevoll die Haare. Rose-Lotte sah mich traurig an.
     
    »Das wird wieder.« Jeder sorgfältige Bürstenstrich begann die Vergangenheit aus Rose-Lottes Kopf streichen. Ich küsste sie auf die grauen Haare und überließ sie ErzEngels Pflege.
     
    Irene wartete im Flur, als wüsste sie nicht, in welches Zimmer sie gehen sollte.
     
    »Bleibst du hier?« Ich war unsicher, wie unsere noch nicht begonnene Beziehung diese Nacht überstanden hatte.
     
    Ihr Lachen klang mühsam. »Meinst du, ich habe meine Hochzeit abgesagt, einem wirklich netten Mann das Herz gebrochen und zwei Leichen vergraben, um jetzt allein nach Hause zu gehen?« Sie zog mich in ihre Arme. Ich drängte sie gegen die Wand und wir küssten uns wieder mit der gleichen Intensität, die mich schon in jener Nacht so erregt und erfüllt hatte. Nach einer langen Zeit wich sie ein kleines Stück zurück und sah mich an. »Ich will schon so lange mit dir schlafen.«
     
    Ich zog sie von der Wand fort und sah erst jetzt, dass wir an ihren Buchstaben, an ihrem Gedicht gelehnt hatten, und wie sie war mir das nicht mehr wichtig.
     

Das ganze Ruhrgebiet
     
    lag uns im Abendlicht zu Füßen. Stadt an Stadt an Stadt, so weit das Auge reichte. »Von hier oben kann man Düsseldorf sehen. Und das Haus in dem ich gestern Nacht mit dir geschlafen habe«, flüsterte ich so stolz in ihr Ohr, als hätte ich den 117 Meter hohen und 68 Meter breiten Oberhausener Gasometer, auf dessen vorderer Aussichtsplattform wir standen, persönlich und nur für diesen Zweck umgebaut. Ich wies über Rhein-Herne Kanal und Emscher hinweg weltgewandt in die Richtung, in der ich meine Wohnung vermutete. Irene winkte fröhlich hinab zu einem langen Güterzug, der sich parallel zum Kanal mit vielen bunten Containern einem unbekannten Ziel entgegenschleppte und küsste mich dann lang und sanft. »Meinst du, du könntest das heute Nacht noch einmal tun?«
     
    Die warme Luft, die ihr das lange Haar zerzauste, umgab uns mit dem Duft von feuchtem Asphalt, irgendwo weit weg hatte es schon zu regnen begonnen. Ich zog sie näher zu mir und suchte in ihren Augen nach meinem Spiegelbild. Da war ich, mein schmales Gesicht, meine dunklen Augen, mein fragender Mund mitten in ihrem sanften Lächeln. Sie war ein paar Jahre älter als ich.
     
    »Mein Herz klopft«, flüsterte sie.
     
    Ich lauschte. »Meines auch.«
     
    Ich nahm vorsichtig ihre warme Hand, ihre Finger schlossen sich mit angenehmem Druck um meine und wir schauten gemeinsam in den Sonnenuntergang.
     

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