Hetzer & Kruse 01 - SchattenHaut
etwas Schönes.“
„Das verstehe ich doch, Wolf.“ Moni wollte vom Sofa aufstehen. Er zog sie zurück.
„Ich habe damit nicht gemeint, dass du gehen sollst. Es wäre nur schön, wenn wir über etwas anderes sprechen könnten. Zum Beispiel über Weihnachten. Wo feierst du in diesem Jahr?“
„Och, mal sehen. Wir hatten ja keine Kinder. Vielleicht verreise ich spontan.“ Sie wurde rot. „Nein, das stimmt nicht. Ich bin zu Hause. Und du brauchst mich ja auch für Gaga. Es ist schön, gebraucht zu werden.“
Das ging Hetzer durch und durch. Wie einsam musste sie sein. Wie ich, dachte er. Wie ein einsamer Wolf.
„Weißt du was“, sagte er, „ich kenne hier auch niemanden. Auf mich wartet niemand – außer Gaga und den Jungs – wie wäre es, wenn ich ein schönes Festtagsmenü für uns zaubern würde?“
„Das wäre albtraumhaft! Für meine Linie!“
„Sprich lieber nicht von Albträumen, meine letzten waren nicht so toll. Aber stell dir vor: Der Kaminofen brennt, die Kater liegen auf dem Sofa, Gaga im Korb, auf dem Tisch brennen Kerzen, leckere Düfte wehen durchs Haus… Auf den Tannenbaum müssen wir leider verzichten. Ich fürchte, die Kater säßen darin.“ Hetzer hob die Augenbrauen und schmunzelte. „Na, wie wär’s?“
„Mal sehen“, lachte Moni. „Und wenn, nur unter einer Bedingung: Ich bringe das Dessert mit.“
„Einverstanden! Dann kann ich mich voll auf Vorspeise und Hauptgang konzentrieren. Gibt es irgendetwas, was du nicht magst? Außer Fleisch, meine ich.“
„Nein, ich esse alles, außer Löwenzahn. Der ist mir zu bitter.“
„Da du keine großen Schneidezähne und Ohren hast, hätte ich auf Löwenzahn ohnehin verzichtet.“ Er gab ihr einen Nasenstüber.
„So, nun muss ich aber los. Ich will mich morgen früh gleich mit Gaga auf den Weg machen, wenn du weg bist. Bleib liegen. Ich finde schon raus. Schlaft alle gut!“
Hetzer hörte die Tür klappen und streckte sich wohlig aus. Moni war wirklich eine tolle Frau. In ihrer Nähe fühlte er sich wohl. Das war damals auch bei ihr so gewesen, wenn sie da war. Aber sie hatte immer wenig Zeit. War viel mit sich beschäftigt gewesen. Wollte so gerne Karriere machen. Bis sie erschossen wurde. Er schob den Gedanken weg und dachte über das Weihnachtsmenü nach. Es machte keinen Sinn, in der Vergangenheit zu leben. Er musste im Jetzt ankommen.
Er hatte schon eine Idee für das Essen am Heiligen Abend, auch wenn das erst in vier Wochen war. Er dachte an aufgeschnittene Serviettenknödel mit einer leichten Tomatensoße, dazu im Ofen gebackener Lachs und eine Mousse aus frischen Zucchini, danach Käseplatte und zum Dessert? Das war dann Monis Part, wenn sie kam. Er war gespannt.
Dass er nun doch noch auf dem Sofa einschlief, war eigentlich kein Wunder nach diesem Tag. Aber es war in gewisser Weise ärgerlich, da er Stunden später mit einem verdrehten Nacken aufwachte. Müde schleppte er sich über den Umweg durchs Bad in sein Bett. Dort schlief er sofort wieder ein.
Das Haus am Meer
Susi parkte in der Schlossstraße vor dem Tor. Es war verriegelt. Auf das Grundstück kam niemand mehr ohne Erlaubnis. Es sei denn, Waren wurden angeliefert oder es war Auktionstag. Heute war nichts dergleichen. Ein einfacher Winterabend mit Dämmerung und Nieselregen. Aber das machte ihr nichts aus. Im Hagenburger Schloss brannte Licht. Sie wusste nicht, ob er da war oder ob es nur so durch die Fenster schien, damit man dachte, dass jemand dort sei.
Immer, wenn sie hier war, brannten die Gefühle in ihr. Sie durchlebte nahe und ferne Vergangenheiten, die im Widerstreit mit sich selbst lagen. Hier war er ihr nah, weil er fern war. Weil sie auch Erinnerungen hatte, die schön waren. Als Kind zum Beispiel hatte er sie geliebt. Da war sie sich sicher. Hatte in der freien Zeit mit ihr Indianer gespielt. Sie waren fischen gegangen oder Boot gefahren. Jetzt hatte er sogar sein eigenes hier direkt am Schloss liegen, mit einer Zufahrt zum Steinhuder Meer. Der Hagenburger Kanal war die Verbindung seit alten Zeiten. Ob er seine Freizeit auf dem Wasser verbrachte, ohne jemals an sie oder an Mutter zu denken? Beide hatte er abgestreift wie seine chirurgischen Handschuhe. Hatte seine Hände nicht nur in Wasser gereinigt wie der römische Statthalter, sondern in Desinfektionsmittel. Mit beiden wollte er nichts mehr zu tun haben. Sie hatten ihn entehrt.
Er selbst war reich geworden durch seine Operationen, die Menschen schöner oder anders machten als sie
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