Hetzer & Kruse 01 - SchattenHaut
wir hier. Es wird schon untersucht. Gut, dann bis morgen früh. Sie kommt um neun Uhr. Vielleicht kommt ihr eine halbe Stunde eher, damit ihr mir darüber noch mehr erzählen könnt. Ich muss jetzt wirklich los. Auf mich warten zu Hause vier Frauen und ein Hund. Aber der ist wenigstens männlich!“
„Auch nicht so ganz“, lachte Ulf, „denn wenn ich mich recht erinnere, ist er kürzlich kastriert worden.“
„Stehe ich jetzt unter Beobachtung? Ich hab ihn nicht selbst entmannt, das war meine Tierärztin in Obernkirchen“, witzelte Dickmann und zog seine Jacke an.
In der Anstalt
„Ihre Mutter hat keinen guten Tag!“, sagte Schwester Eva. „Sie lebt heute in den frühen 80ern. Ich fürchte, sie wird Sie nicht erkennen.“
„Ich will es wenigstens versuchen. Vielleicht hilft es, wenn ich ebenfalls in diese Zeit zurückgehe.“
„Möglicherweise, aber erhoffen Sie sich nicht zu viel. Man weiß nie, wie sie reagiert. Das kann sich von Minute zu Minute ändern. Das wissen Sie ja.“
Schweren Herzens ging sie an Türen vorbei, bis sie bei Nummer 151 vorsichtig die Klinke herunterdrückte. Die Frau im Sessel fuhr zusammen.
„Hilfe, Einbrecher! Was wollen Sie von mir. Ich habe nichts.“
„Mutter, ich bin es doch, deine Susi!“
„Sie lügen, meine Susi ist ein kleines Mädchen. Ungefähr so groß.“ Sie zeigte die Höhe mit der Hand. „Woher kennen Sie sie überhaupt?“
Es war wichtig, auf Mutters Fragen einzugehen. Sonst würde sie gleich anfangen zu schreien.
„Aus der Schule. Ich bin ihre Lehrerin. Sie ist bei mir im Biologieunterricht.“
„Ah ja, Sie sind Frau Meier. Sie haben sich aber verändert.“
„Ja, ich habe mir die Haare abschneiden lassen und die Farbe aufgefrischt. Gefällt es Ihnen?“
„Wunderbar. Sie sehen viel jünger aus. Wie macht sich mein Mädchen denn in der Schule?“
„In meinem Fach gibt es nichts zu klagen. Da ist sie ein Ass. Sie will später Ärztin werden.“
Die Mutter lächelte verzückt.
„Wie ihr Vater, wissen Sie. Wie ihr Vater. Glauben Sie, dass er bald aus dem Ausland zurückkommt?“
„Ach, ist er viel unterwegs?“
„Jahrelang schon. Und das Kind vermisst ihn so. Aber er wird zu mir zurückkommen. Sie werden sehen. Keine von den anderen Frauen ist wie ich. Sind Sie auch eine von denen?“ Sie sah ihr Gegenüber misstrauisch an.
„Nein, nein, ich kenne Ihren Mann überhaupt nicht“, beteuerte sie schnell. „So lange wohne ich noch nicht in Schaumburg.“
„Das ist aber schade. Er ist ein wunderbarer Mensch. Jeder kennt ihn. Jeder liebt ihn. Er war sogar einmal stellvertretender Bürgermeister. Jetzt hat er ein Haus am Meer. Das hat mir Schwester Eva erzählt. Aber er hat zu viel zu tun. Er kann sich nicht um mich kümmern.“
„Das tut mir leid. Aber Sie haben doch Susi.“
„Ja, meine Susi. Sie ist beim Ballett. Sie sollten sehen, wie schön sie in ihrem Tütü aussieht.“
„Bestimmt ganz zauberhaft.“
„Sie habe kein Talent, hat ihr Vater gesagt und sie abgemeldet. Er hat immer recht. Er weiß auch viel mehr als ich. Sie ist unser kleines Mädchen, hat er gesagt. Und das wird sie immer bleiben. Darum hat er sie weggeschickt. Ich war mir nicht ganz sicher.“
„Warum?“
„Sie war so komisch. So traurig. Ich konnte sie nicht verstehen.“
„Aber das ist doch oft so in der Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen.“
„Nein, das kam, weil sie weg war. Danach war es schlimmer. Sie wollte nichts mehr von uns wissen. Sagen Sie, kennen wir uns? Sind Sie nicht Iris, Susis Freundin?“
„Oh, Sie haben mich erkannt?“
„Waren Sie nicht früher schrecklich dick?“
„Ja, das stimmt. Ich habe abgenommen.“
„Und treffen Sie Susi noch?“
„Ich hörte, es geht ihr gut.“
„Das ist fein. Es ist bald Weihnachten. Da kommt sie bestimmt nach Hause. Wir mussten sie ins Internat geben, verstehen Sie?“
„Vermissen Sie sie?“
„Ich weiß nicht. Hier sind so viele Menschen. Mein Mann sagt, sie muss jetzt ohne uns auskommen. Ich muss ja auch ohne ihn sein. Er ist in seinem Haus am Meer. Dort hat er viel zu tun. Oh, sehen Sie, es schneit!“
Tatsächlich. Vor dem Fenster trieben die ersten Schneeflocken des Winters vorbei.
„Wenn sie nun ohne Jacke zum Ballett gegangen ist. Sie wird sich den Tod holen. Hilfe, Hilfe, es schneit. Bitte retten Sie mein Kind. Bringen Sie ihr doch bitte eine Jacke. Hier, nehmen Sie meine. Damit Susi es warm hat.“
Sie zog die Jacke über und versuchte, ihre Mutter zu beruhigen.
„Danke
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