Hexe Lilli - 02 - Hexe Lilli macht Zauberquatsch
will, und sie sagt, zur kranken Großmutter, um ihr Kuchen zu bringen.“
„Nein, sagt sie nicht. Sie sagt, sie geht zur Großmutter, um ihr Karate beizubringen, weil Rotkäppchen nämlich gerade einen Karatekurs gemacht hat.“
„Sie kann echt Karate?“, fragt Leon erstaunt.
„Klaro. Sie hat sogar die Karateprüfung für den schwarzen Meistergürtel bestanden, aber sie trägt natürlich lieber den grünen Gürtel, weil ihr der besser gefällt.“
„Und gleich haut sie mit einem Karatetrick den Wolf um“, platzt Leon heraus und fuchtelt dabei wild mit seinen Armen und Beinen herum.
„Nein, nein, der Reihe nach! Der Wolf fragt Rotkäppchen, ob sie für ihre Großmutter nicht Blumen im Wald pflücken will, und Rotkäppchen erklärt ihm, dass es für die Natur nicht gut ist, Waldblumen zu pflücken. Und sie erklärt ihm, dass manche wild wachsenden Blumen vom Aussterben bedroht sind.“
„Und was sagt der böse Wolf dazu?“, will Leon wissen.
„Der sagt gar nichts. Der guckt bloß dumm aus der Wäsche, oder genauer gesagt, aus seinem Wolfspelz. Böse Märchenwölfe haben natürlich noch nichts vom Naturschutz gehört.“
Wieder beginnt Leon wild in die Luft zu treten und ruft:
„Aber jetzt macht sie ihn mit dem Karatetrick fertig!“
„Quatsch! Dann kramt Rotkäppchen bedächtig den Videorecorder aus ihrem Korb. Im Recorder steckt der Märchenfilm vom Rotkäppchen und den sieht sie sich scheinbar gelangweilt an. Der Wolf, der noch nie einen Videofilm gesehen hat, schaut ebenfalls neugierig zu. Als aber im Film schließlich die Stelle kommt, an welcher der Jäger dem bösen Wolf den
Bauch aufschneidet, um Rotkäppchen und die Großmutter wieder herauszulassen, da nimmt der echte Wolf heulend Reißaus und verschwindet auf Nimmerwiedersehen im Wald.“
„Und Rotkäppchen?“
„Die bringt ihrer Großmutter den Kuchen und den Wein und sie verputzen alles gemeinsam. Zuletzt wird die Großmutter müde, schläft ein und Rotkäppchen geht ungestört nach Hause.“
„Und das Märchen ist aus.“
„Nein, nein. Dann kommt der Jäger und hört die Großmutter schnarchen. Er geht ins Haus und fragt: „Wer liegt denn da am hellichten Tag im Bett?“
Die Großmutter, so plötzlich aus dem Schlaf geholt, reißt ihre Augen auf und blickt den Jäger verdutzt an.
„Aber Großmutter, warum schaust du mich denn mit so großen Augen an?“, will der Jäger wissen.
Die Großmutter ist zwar alt, aber nicht auf den Mund gefallen. Nachdem sie sich vom ersten Schrecken erholt hat, grinst sie und gibt zur Antwort: „Die großen Augen habe ich, damit ich besser sehen kann, was für ein hübscher Kerl da einfach, ohne anzuklopfen, in mein Haus spaziert!“
Der Jäger bekommt einen roten Kopf, weil er sich ein bisschen schämt. Doch ihm gefällt Großmutters lustige Art, darum geht er auf ihr Spiel ein und fragt: „Und warum hast du einen so großen Mund?“
„Damit ich besser küssen kann!“, ruft die Großmutter, springt aus dem Bett, schnappt sich den Jäger und küsst ihn, dass ihm die Luft wegbleibt. Und schon sind die beiden verliebt. - Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute“, beendet Lilli ihre Erzählung.
„Ein tolles Märchen“, sagt Leon entzückt. „Erzähl mir noch so eines!“
„Nein!“ Lilli winkt lachend ab. „Keine Zeit jetzt. Ich will mich endlich richtig vorbereiten für das nächste Märchenwochenende bei Oma. „ „Was musst du denn dafür machen?“, will Leon wissen.
„Ich muss lesen, und zwar allein“, sagt Lilli und gibt Leon damit eindeutig zu verstehen, dass er jetzt verschwinden soll.
„Märchenbücher?“
„Allein!“
„Nur noch ein Märchen...“, bettelt Leon.
„Ich will allein sein, Leon!!!“
„Nur noch ein... „.„Also hör zu.“ Lilli verdreht die Augen.
„Wenn du mich jetzt in Ruhe in meinem Zimmer lesen lässt, erzähle ich dir heute Abend noch ein Märchen - und zwar ein spannendes. Das verspreche ich dir.“ Aber Leon gibt einfach keine Ruhe. „Dann musst du mir jetzt schon verraten, welches“, verlangt er.
Lilli überlegt kurz. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht.
„Ich erzähle dir das Märchen vom Wolf und den acht Geißlein.“
„Ich denke, es waren sieben Geißlein“, wendet Leon ein.
„Nein, es waren acht. Es ist im Märchen immer nur von sieben Geißlein die Rede, weil das achte Geißlein ein Geheimagent war, und wenn es jeder kennen würde, könnte es
ja nicht länger Geheimagent bleiben.
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