Hexen: Vier historische Romane (German Edition)
anderntags völlig ungezwungen. Ich brauchte nichts mehr vor ihm zu verbergen, konnte mich nun bei ihm, wie von Angelika empfohlen, geben wie ich war. Dadurch geschah es, dass wir fast unmerklich näher zueinander fanden.
In einem Weingarten berieten wir uns dann über Magda. Er bekundete mir, nach ausgiebigem Nachdenken sei auch er zu dem Schluss gelangt, nicht die Studenten, sondern Schwester Magda wolle uns Schwierigkeiten bereiten.
„Das könntest du abfangen“, schlug ich ihm vor, „indem du ihr versicherst, du habest keinerlei Interesse an mir.“
„Das entspräche nicht der Wahrheit“, widersprach er spontan, lächelte dann aber und sicherte mir zu: „Natürlich werde ich ihr das vortragen, nur eben mit anderen Worten. Außerdem wird es sie beruhigen, wenn ich ihr zu verstehen gebe, dass die Schule für mich zum Sommeranfang beendet ist.“
„Oh, ja.“
Wir waren zuversichtlich, Magda auf diese Weise von uns abzulenken, hielten es aber dennoch für angebracht, auch weiterhin in der Schule keine längeren Unterhaltungen miteinander zu führen. Ich selbst hielt diese Entscheidung alleine schon wegen Notburgas eventuellen Beobachtungen auf dem Schulgelände für ratsam, was ich Raimund aber aus Scham verschwieg.
Nachdem wir uns in dieser leidigen Angelegenheit einig geworden waren, verließen wir den Weingarten, führten dann unsere Pferde an den Zügeln und spazierten dicht nebeneinander über einen durch Obsthänge führenden Reitpfad. Ich erkundigte mich, ob er nach Beendigung seines Studiums eine Apotheke eröffnen wolle.
„Wo denkst du hin“, wehrte er ab, „dafür gibt es nun wirklich Befähigtere als mich. Ich würde gerne unmittelbar nach dem Schulabschluss mein Naturkundestudium fortsetzen, am liebsten an der Freiburger Hochschule. Aber das ist mir verwehrt, da ich mir auf Vaters Anordnung nach dem Arzneistudium zunächst die goldenen Rittersporen erwerben muss.“
„Und wie geht das vonstatten?“
„Ich werde zusammen mit anderen Knappen von einem Ritter und dessen Helfern in die höhere Kampfkunst eingeführt“, begann er, und als er fortfuhr wurde sein Ausdruck missgestimmt: „Außerdem wird uns militärische Disziplin eingebläut und das Führen von Soldaten beigebracht. Einige deutsche Burgen gelten als hervorragende Ausbildungsstätten, und Vater ist sich noch nicht schlüssig, welche er als erste für mich wählen wird. Hoffentlich schickt er mich nicht zu weit fort von hier.“
Der Schreck über diese Nachricht ließ meine Stimme zittern, als ich mich nach der Dauer dieser Ausbildung erkundigte.
„Die meisten Knappenjahre habe ich bereits absolviert“, erklärte mir Raimund, „es fehlen mir nur noch höchstens anderthalb Jahre nacheinander auf zwei verschiedenen Burgen. Ich habe die berechtigte Hoffnung, Vater entscheidet sich zunächst für die Rottenburg, da deren Ritterausbilder einen besonders guten Ruf genießen. Mir selbst ist ihr Ruf einerlei, für mich zählt einzig, dass die Rottenburg nur einen Tagesritt von hier entfernt liegt.“ Er blieb stehen, hielt auch mich am Arm zurück und sah mich fragend an, worauf ich möglichst ungerührt herausbrachte:
„Das wäre bestimmt angenehm für dich.“
Er hielt weiterhin meinen Arm umfasst, und sein Blick wurde bittend, fast zärtlich, als er wissen wollte: „Und für dich?“
Darauf schoss mir das Blut zu Kopf, ich senkte die Lider, doch um ihn nicht zu verletzen, gab ich flüsternd zu: „Für mich ebenfalls.“
„Danke“, nun streichelte er meinen Arm, meine Hand und dann wieder den Arm. „Du ahnst nicht, Tora, wie viel mir dein kleines, dein winzig kleines Geständnis, das du mir gerade geschenkt hast, bedeutet.“
Noch immer gelähmt vor Verlegenheit, konnte ich nichts erwidern, weshalb er mich sachte zum Weitergehen bewegte, und nach einigen Schritten sagte er in jetzt heiterem Ton: „Bis zu meinem Schulabschluss liegen noch zwei Monde vor uns, wenn du möchtest, können wir in dieser Zeit noch so manche Ausflüge unternehmen. Falls ich jedoch die Oberstufe wiederholen muss“, nun gluckste ein Lachen in seiner Stimme, „dann hätten wir sogar zwölf Monde dazugewonnen.“
„Nein, Raimund“, lachte jetzt auch ich, „das wollen wir lieber nicht wünschen.“
„Natürlich nicht.“
W ill Raimund seine Abschlussprüfungen bestehen, müsste er sich dem Lehrstoff besser anpassen. Zwar konnte ich das nicht in allen Fächern beurteilen, doch bei unserem gemeinsamen Unterricht in der Bibliothek erlebte ich, dass er,
Weitere Kostenlose Bücher