Hexen: Vier historische Romane (German Edition)
und einige Tage später in Ballenstedt vor einem weltlichen Gericht verantworten. Und anschließend?, fragten wir uns voller Bangen, wird er dann gekettet und eingesperrt?
Nach drei langen Wochen kehrte Vater endlich zurück, mit siegesglänzendem Blick. Bei dem üppigen Empfangsmahl, das Mutter ihm sogleich hatte herrichten lassen, berichtete er, in Aschersleben habe er einen Triumph erlebt. Der Inquisitor habe über die Anschuldigungen gegen ihn nur lachen können und ihm am Ende für sein kirchentreues Handeln in einer prekären Situation die Hand gedrückt. Dass sich die Stirn seiner Gattin bei dieser Schilderung dunkel umwölkte, übersah er und fuhr fort: Auch in Ballenstedt war ihm Glück vergönnt, da er an einen katholischen, also verständigen, Richter geraten war. Der hatte ihm lediglich vorgehalten, den Mord nicht unverzüglich gemeldet zu haben, um schnellstens die Eltern der toten Maid ausfindig machen zu können. Dafür hatte er eine Verwarnung hinnehmen und eine Geldbuße entrichten müssen. Zu Recht, sah Vater ein, völlig zu Recht, dieses Säumnis habe in der Tat seine Strafe verdient.
Damit war zu Dietrichs und meiner Verwunderung diese Angelegenheit, die alle Burgbewohner aus dem Gleichgewicht geworfen hatte, abgetan. Alleine Mutters Stirn blieb nach Vaters Abreise weiterhin umschattet. Wir merkten ihr tief sitzende Sorgen an.
D ie Vater an meinem Geburtstag noch erschweren sollte.
Johannes wurde heute, einen Tag nach Pfingsten, einundzwanzig, und ich wurde elf. Zu unserer gemeinsamen Geburtstagsfeier waren unsere liebsten Menschen in der Disburg eingetroffen: Vater, EM, ihr Mann Adalbert sowie Johannes’ und meine Paten mit ihren Familien. Mit Freuden bemerkte ich sogleich, dass EM ihre Geziertheit wieder abgelegt hatte, sie war ihr wohl zu anstrengend geworden. Nun war meine Schwester wieder so weich und lieb wie ehedem. Auch war sie wieder natürlich gekleidet, trug ihr dunkelrotes Haar nicht onduliert, sondern locker hochgesteckt und schien schon länger bei den Malzeiten wieder so genüsslich wie früher zuzulangen, denn sie war auffallend mollig geworden, besonders um die Leibesmitte. Meine große Schwester EM, ich hatte sie fester ins Herz geschlossen, als mir vor ihrem Auszug bewusst gewesen war.
Ihr Geschenk an mich tat sich als prächtigste aller Gaben hervor, ein blaugrünes, wadenlanges Spitzenkleid mit drei rüschenbesetzten Unterkleidern, damit der weit fallende Rock auch hübsch abstehe.
„Danke EM, wie lieb von dir, danke!“, freute ich mich darüber, worauf sie mir erklärte:
„Ich habe die Farbe passend zu deinen Augen gewählt, du hast so faszinierende Augen, funkelnd wie zwei geschliffene Türkise. Du wirst mal eine sehr schöne Frau, Dorith, wie Mutti, warum soll das nicht schon heute jeder sehen?“
„Richtig“, stimmte Johannes charmant zu, während er vor mir in die Hocke ging, „und ich hoffe, Dorith, dich bald in dieser Prinzessinnenrobe bewundern zu können.“
Ich versprach es ihm und bat ihn dann in meiner übermütigen Stimmung: „Lässt du jetzt mal wieder deine Finger über die Spinetttasten hüpfen? Bitte, Johannes!“
„Aber sofort doch“, lachte er, „ein Geburtstagsständchen für meine entzückende Fast-Zwillingsschwester.“
Und alle sangen mit.
So heiter dieser Auftakt unseres Geburtstags war, so betrüblich wurde für meine Eltern und mich sein Ausklang. Gegen Abend setzte sich Mutter etwas abseits der Gesellschaft zu ihrem Gemahl, in der Hoffnung, eine geänderte Meinung über die Teufelsaustreibungen von ihm zu erfahren.
„Nein, meine Einstellung dazu steht fest“, hörte ich ihn ärgerlich erwidern.
Doch Mutter gab nicht auf, fuhr ihm liebevoll über die Schulter und appellierte an seine Großherzigkeit: „Thomas, mein Guter, ist Eure Einstellung nicht zu hart? Ihr missbilligt doch auch Hexenverurteilungen.“
„Weil ihnen oft falsche Anschuldigungen zugrunde liegen, nur deshalb. Ist aber jemand durch Schändung oder sonst eine Sünde von Teufeln verseucht, dann erkennt das ein Priester und muss diesen Menschen von der Höllenbrut befreien. Könnt oder wollt Ihr das nicht einsehen?“ Da er wusste, dass er auf diese Frage von seiner hartnäckigen Adelheid keine Antwort erwarten konnte, fügte er sogleich an: „Und jetzt möchte ich dieses leidige Thema beenden.“
Bewundernswert, wie es meiner armen Mutter darauf gelang, für die Anwesenden wieder ein Lächeln in ihr Gesicht zu zaubern - nein, wohl eher zu zwingen.
D ieses Lächeln
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