Hexen: Vier historische Romane (German Edition)
politischen Vorhaben zu orakeln, wobei sie ihm jedoch nie falsche Auskünfte erteilen konnte, da er stets auch seine Wölwa und seine beiden Sterndeuter befragte. Alleine mit Schmeicheleien, die sie zunehmende Überwindung kosteten, erzielte sie zuweilen einen Erfolg bei ihm.
Um wie viel leichter hätte sie sich bei Waldur durchsetzen können, seufzte sie häufig, und um wie viel glücklicher wäre sie mit ihm geworden. Doch sie hielt durch und bemühte sich weiterhin um gute Miene bei ihrem bösartigen Spiel. Nicht nur, um ihre dämonische Gebieterin nicht zu erzürnen, sie hoffte in erster Linie noch immer, mit Hekates Hilfe eines Tages doch noch Waldur zurück zu gewinnen.
Ganz gewiss hätte sich Chrodegilde von ihrer Herrin, die sie für eine alles überstrahlende Schönheit hielt, losgesagt, wenn sie ihrer ansichtig geworden wäre. Doch das Dämonenreich blieb Chrodegildes schwarzmagischen Sinnen versperrt. Somit entging ihr ebenfalls, dass neben der schaurigen, schlangenköpfigen Hekate noch weitere Riesendämonen um Chlodwigs Hörigkeit kämpften. An vorderster Stelle der rostrote, kriegswütige Zoster sowie der Verblendung und Größenwahn einflößende Mara, und gerade neben diesen beiden blieben Hekate bei Chlodwig kaum Chancen.
Chlodwig erging es da nicht anders, als seit jeher und auch künftig allen abtrünnigen Herrschern, jeder Großdämon will jeden Machthaber auf Erden, der für ihn geeignet scheint, für sich gewinnen, um mit dessen Hilfe seine speziellen Teufeleien weitmöglichst unter der Menschheit zu verbreiten. Als Sprachrohr dient diesen Ungeheuern der innere Drache des Menschen, der dann bereitwillig die Dämonenbotschaften an das Bewusstsein des Betreffenden weiterleitet. Nicht zuletzt aus diesem Grund legte Ethne ihren Schülern so eindringlich nahe, ihren inneren Drachen zu bezähmen, und Chlodwig hatte sie dabei ganz besonders unterstützt.
F instere Gedanken also im Schloss Soissons, helle dagegen im Alemannenpalast, wo sich die zwei jungen Paare täglich aufs Neue an ihrem nun noch reicheren Familienglück erfreuten. Kaum ein Mittag oder Abend, an dem nicht die Fürstin, der Fürst, Ortrud oder Erik kurz zu ihnen in die Wohnungen schauten, mit der inzwischen eineinhalbjährigen Inga tollten und mit Gernod Dummheiten machten. Und Gernod war alles andere als lungenkrank, er war ein putzmunterer Strampler, hatte bereits Siglinds bunt schillerndes Haar und ihre feinen Gesichtszüge, bekäme aber mal, jedenfalls behauptete das Großpapa Eisbär, unverkennbar Waldurs Herkulesstatur.
Da fragt man sich, weshalb hier ein Kindermädchen beschäftigt war. Doch dem blieb genug zu tun, denn die meisten Stunden des Tages waren die Eltern und Großeltern ja in ihre Berufe eingespannt. Siglind nach Beendigung ihrer Stillzeit auch wieder, und gerade sie engagierte sich wie kaum eine in ihrem Beruf und erwies sich als so tüchtig, dass sie allmählich zu Hermods rechter Hand heranwuchs. Selbst abends nach ihrem Krankenheimdienst vergaß sie ihre Pflichten nicht, indem sie, wenn nötig, mit ihrem Einspänner zu daheim liegenden Patienten fuhr, um sie dort zu versorgen.
Waldur musste sich an Siglinds häufige Abwesenheit gewöhnen, doch er bewies Verständnis und nutzte die freien Abende eben anders. Vorzugsweise verbrachte er sie mit Hermod, mit dem er sich in den letzten zwei Jahren angefreundet hatte, und gerne trug er auch mit ihm, Segimund und Hilibrand auf dem Turnierplatz die übermütigsten Privatwettkämpfe aus.
Soviel Freizeit wie in diesen Monden war Waldur nur vergönnt, weil in der Außenpolitik momentan Ruhe herrschte. Erstaunlicherweise auch in Italien, dort allerdings nur, spottete die Fürstin, weil Theoderich noch das Regieren üben müsse.
M it dem ausklingenden Winter war die ruhige Zeit in der Außenpolitik vorbei. Für alle keltischen Regentenhäuser. Das Frankenreich erregte wieder Aufsehen, genau wie unmittelbar nach der Hochzeit seines Herrscherpaars, als dort die vielen Arianerpriester ihre aufdringlichen Bekehrungsversuche ausgeübt hatten. Die darüber aufgebrachten fränkischen Fürstinnen und Fürsten sowie die zwei Gaugrafen im ehemaligen Parisgebiet, hatten aufgrund dessen nacheinander abgedankt. Alle fünfzehn. Und Chlodwig hatte jeden freigewordenen Thron umgehend mit einem ihm hörigen arianischen Höfling, den er kurzerhand zum Gaugrafen ernannt hatte, neu besetzt. So gefiel ihm das ohnehin besser, denn diesen arianischen Grafen hatte er weitaus leichteres Spiel als
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