Willkommen im Land der Liebe
PROLOG
Ein Mädchen wird zu einer Ehe gezwungen?
Aus ihrem Heim gerissen? Als Geisel über den Atlantik verschleppt? So lange von ihrer Familie und ihren Freunden isoliert, bis sie nachgibt, sich dem Willen ihres Vaters fügt und heiratet – selbst wenn der Mann zwanzig Jahre älter ist als sie?
Scheich Kalen Tarq Nuri hatte schon Schlimmeres gehört.
In aller Ruhe trank er seinen Martini aus und schob das leere Glas zur Seite.
Gerade hatte er in New York ein ziemlich großes Geschäft abgeschlossen, das er jetzt bei einem Abendessen mit seinen Spitzenleuten feierte, die die feindliche Übernahme für ihn arrangiert hatten. Obwohl die Firma nicht hatte verkaufen wollen, hatte Scheich Nuri sein Ziel erreicht.
Er bekam, was er wollte. Immer.
Es gab schlimmere Dinge, als eine junge Frau zu einer Heirat zu zwingen.
Zum Beispiel Verrat. Einen Mordversuch. Und die Aufdeckung einer Verschwörung mit dem Ziel, nicht nur Kalens Bruder – den Sultan von Baraka – zu ermorden, sondern auch seine kleinen Söhne.
Niemand tat der Familie von Kalen Nuri etwas. Niemand durfte Malik oder seine Kinder verletzen. Niemand. Nicht einmal Omar al-Issidri, der Vorsitzende des Kabinetts seines Bruders und heimliche Unruhestifter.
Von einem Informanten wusste Kalen, dass Omar plante, seine Machtposition in Baraka durch die Ehe seiner Tochter mit Ahmed Abizhaid, einem radikalen Fundamentalisten und Kritiker des Sultans, zu festigen.
Omar war gefährlich, weil er schwach war. Ahmed war gefährlich, weil er gewalttätig war. Zusammen könnten sie die Nuris vernichten.
Kalens Finger umklammerten den Stiel des Martiniglases. Die Heirat zwischen der dreiundzwanzigjährigen Keira al-Issidri und Ahmed Abizhaid musste verhindert werden. Um jeden Preis, denn es war eine gefährliche Beziehung, ein Bündnis, das Ahmed nicht nur Ansehen, sondern auch Zutritt zum Palast verschaffen würde.
Wenn Kalen nicht unverzüglich etwas dagegen unternahm. Daher musste er schleunigst aktiv werden, um diese Hochzeit zu verhindern. Höchstpersönlich. Und genau das beabsichtigte er zu tun.
1. KAPITEL
Sie würde so gern noch einmal von vorn beginnen.
Das Band bis zu dem Zeitpunkt zurückspulen, von dem an alles schiefgelaufen war. Diese Nacht. Diese Party. In der Woche, als sie sechzehn geworden war.
Wenn sie ihrem Vater nicht den Gehorsam verweigert hätte …
Wenn sie sich nicht aus dem Haus geschlichen hätte, um an etwas Verbotenem teilzunehmen …
An einem Ort, den brave Mädchen aus Baraka nicht besuchen sollten.
Aber das alles lag Jahre zurück, und jetzt waren Keira Gordons Finger schon ganz taub, weil sie das Telefon so krampfhaft umklammerte. „Ich heirate ihn nicht. Ich kann ihn nicht heiraten, Dad, das ist unmöglich.“
Omar al-Issidri holte ungeduldig Luft. „Das Einzige, was unmöglich ist, ist, dass du mit dreiundzwanzig immer noch ledig bist! Du machst unserer Familie Schande.“
Keira wusste, dass junge Frauen in Baraka früh heirateten, um ihren Ruf zu schützen. Aber Keira war keine Barakanerin, war es nie gewesen. Doch als Engländerin fühlte sie sich auch nicht, obwohl sie den größten Teil ihres Lebens bei ihrer liberalen intellektuellen Mutter in Manchester verbracht hatte.
„Er ist ein bedeutender Mann, Keira. Er hat Beziehungen, ist mächtig und einflussreich …“
„Das interessiert mich nicht.“
Schweigen. „Du musst verstehen, Keira, dass diese Heirat sehr wichtig ist. Für uns alle. Du musst heiraten. Sidi Abizhaid hat dich auserwählt. Du solltest dich durch sein Interesse geehrt fühlen.“
Ihr Vater hörte ihr überhaupt nicht zu. Aber ihrer Mutter zufolge hörte ihr Vater einer Frau sowieso niemals zu. Das war nur einer der Gründe, warum sie ihn vor vielen Jahren verlassen hatte.
Keira rieb sich die Stirn. Ihr lag etwas an ihrem Vater. Sie mochte ihn wirklich, aber er hatte keine Ahnung, wie sehr sie sich von dem verschleierten Leben einer Frau in Baraka entfernt hatte. Baraka, ein Königreich in Nordafrika voller rosafarbener Berge, goldener Sanddünen und wunderschöner Hafenstädte, die eher europäisch als orientalisch wirkten. „Ich lebe in Dallas, Dad. Ich habe hier einen Job und wunderbare Freunde. Menschen, denen wirklich etwas an mir liegt.“
„Aber keinen Ehemann.“
„Ich will keinen Ehemann.“ Die Frustration verlieh ihrer Stimme einen schärferen Ton. „Ich bin gerade erst mit dem Studium fertig und habe noch nicht einmal angefangen, im Beruf wirklich Fuß zu fassen und meine
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