Hexen: Vier historische Romane (German Edition)
empfing, mehr und mehr zu sich selbst zurückfand.
U nterdessen hatte die verärgerte Chrodegilde nach ihrem Mann fahnden lassen. Endlich hatte sie von ihrem Vertrauenskurier erfahren, wo er sich aufhielt - in Frowang, ausgerechnet bei Waldur!
Darauf ließ sie sich umgehend nach Frowang kutschieren und holte ihn kurzerhand aus Siglinds und Waldurs Wohnung ab. Vor allem weg von Waldur, der ihn mit Sicherheit wieder falsch beeinflusst hatte, ganz gegen ihre eigenen Vorhaben.
Deshalb versuchte sie auf ihrer viertägigen Heimfahrt, ihren Gatten wieder zurück auf ihre Seite zu gewinnen. Dazu regte sie ihn zunächst an, ihr von seinem Frowangbesuch zu berichten, worauf er gerne einging. Er erzählte ihr von dem beeindruckenden Kunstflur des neuen Schlosstraktes, von Siglind, die sich als weise Frau bereits einen Namen erworben habe, die Krankenfee nenne man sie in Frowang, und er schilderte ihr, wie souverän Waldur als Eddapriester und Kronprinz wirke, selbst bei ihren privaten Unterhaltungen. Als er aber auf Siglinds und Waldurs Söhnchen, den kleinen Gernod, zu sprechen kam, worauf sie nur gewartet hatte, hakte sie ein:
„Du schwärmst ja nur, amatus, und jetzt sogar von dem Kleinen, ich hoffe doch, du hast das Kind mit den richtigen Augen gesehen.“
„Pardon? Wie meinst du das?“, fragte er, und sie stellte ihm mit besorgtem Gesicht die Gegenfrage:
„Hast du ihm denn nichts angemerkt?“
„Non, außer, dass er ein gesunder Strampler ist und offensichtlich Siglinds wundervolles Perlmutthaar bekommt, nichts.“
Darauf seufzte sie: „Oh, amatus, das Kind ist doch erschreckend kümmerlich, und dazu diese Kurzatmigkeit.“ Sie tat, als tupfe sie sich eine Träne vom Auge, während sie mit weinerlicher Stimme fortfuhr: „Der kleine Gernod soll schwindsüchtig sein, hat mir sein Kindermädchen anvertraut, er soll nur eine kurze Lebenserwartung haben.“
War natürlich schamlos erlogen, doch Chlodwig erschütterte diese Nachricht: „Quel malheur, bitte nicht noch so ein Unglück!“
Sie führte abermals ihr Taschentüchlein zum Auge, rückte ein wenig ab von ihm und wandte, als sei auch sie erschüttert, ihr Gesicht zur Seite. Chlodwig sollte über diesen Gedanken brüten, sollte endlich aufhören, in Waldur einen Halbgott zu sehen, weshalb sie ihn auf die Idee bringen wollte, Waldur werde bald von seinen eigenen Göttern geschlagen, so unselig sei das Heidentum. Darin lag ihre eigentliche Absicht, Chlodwig sollte zu der Meinung gelangen, Ingomars Tod hätten die Eddagötter verursacht. Mit stets neuen Argumenten versuchte sie auf ihrer Weiterfahrt, ihn von diesem Gedanken zu überzeugen - und er begann, ihr zu glauben.
Z urück in Soissons, gebot Chlodwig dennoch der arianischen Springflut, die seit ihrer Hochzeit das Frankenreich überschwemmte, zunächst Einhalt. Gegen alle Tränen von Chrodegilde und ihre wiederholte Warnung, das werde ihnen der Arianergott mit seinen Engeln gewiss verübeln. Er hörte nicht auf sie, verbot ihr sogar weitere Einwände. Denn er wollte erst eine endgültige Glaubensentscheidung treffen, wenn ihm diese oder jene Götter ein entsprechendes Zeichen zukommen lassen.
So wartete er nun auf ein Omen. Lieber hätte er ein arianisches gesehen, doch es durfte auch ein heidnisches sein, gleichwie, er wartete.
Währenddessen vertrieb er sich wieder die Zeit mit blutigen Ränken in Gallien. Zwischen den Burgunderkönigen hatte er bereits Unruhe gestiftet, die bald kriegerisch entartet war. Da sich diese Könige jetzt aber zu versöhnen drohten, wiegelte Chlodwig nun mit diversen Falschmeldungen den in Südgallien regierenden Gotenkönig Alarich II. gegen sie auf. Und wenn Alarich dann mit seinen Soldaten in das Gemetzel eingreift, will Chlodwig als Friedenstifter auftreten. Das war sein vorläufiges Ziel. Diese Beschäftigung nahm Chlodwig so gefangen, dass er gegen Chrodegildes Einflüsterungen taub wurde.
Leicht hatte es Chrodegilde wahrlich nicht mit dem Durchsetzen ihrer Hekateaufträge in der Frankenregierung. Das war ihr zwar anfangs so erschienen, doch schon bald hatte sie erkennen müssen - was Chlodwigs Interessen widersprach, wurde nicht durchgeführt. Zudem wurde er immer herrschsüchtiger, selbst ihr gegenüber. Sie sei nur Mitregentin, fuhr er sie nicht selten an, und habe auf sein Wort zu hören. Kein Wunder, dass sie sich oft vor ihm ängstigte, besonders vor seinen Zornausbrüchen. Und gegen ihre Zauberkunst war er gefeit. Allenfalls bat er sie gelegentlich, ihm für seine
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