Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
zermartert, wie er die Schlappe in Tirol wieder wettmachen könnte. Es fraß, nagte und bohrte Tag und Nacht in ihm – eine solche Blamage hatte er in seinem ganzen bisherigen Leben noch nie hinnehmen müssen. Zwar hatte er Innsbruck irgendwann im Spätherbst verlassen und hatte versucht, an anderen Orten Tirols Hexenprozesse vorzubereiten, wobei er besonderen Wert darauf gelegt hatte, dabei möglichst unauffällig vorzugehen und kein großes Aufsehen zu erregen. Aber irgendwie war dann doch bis nach Brixen durchgesickert, der Inquisitor sei immer noch im Lande und lasse sich nicht von seinem Vorhaben abbringen, auch die Innsbrucker Frauen erneut anzuklagen. Der Pfarrer Niclas aus dem Wiltener Stift hatte ihn anfangs Februar höchstpersönlich ausfindig gemacht und ihm den Brief des Bischofs vorgelesen.
»Lieber Bruder Niclas!«, stand da. »Mich verdrießt die Tätigkeit des Mönches im Bistum. Ich habe ihm zwar schon geraten, er solle zurück in sein Kloster und auch dort bleiben. Aber anscheinend will er noch immer in der Frauensache etwas unternehmen. Ich werde das auf Grund der schlechten Erfahrung im letzten Prozess nicht mehr zulassen und die Angelegenheit notfalls selbst in die Hand nehmen sowie nichts ohne den Fürsten entscheiden. Er mag vielleicht schon einigen Päpsten als Inquisitor gedient haben, aber mir scheint, er ist nun mit fortgeschrittenem Alter ganz kindisch geworden. Seine Dummheit zeigte sich in der Praxis, da er vieles einfach nur unterstellt hat, was überhaupt nicht erwiesen war und versucht hat, dies als Tatsache hinzustellen.«
Gleichzeitig hatte er ihm ein an ihn selbst gerichtetes Schreiben ausgehändigt, wobei er seine Schadenfreude nur schwer verbergen konnte.
»Ich wundere mich sehr« , las Institoris, »dass Ihr immer noch in meiner Diözese seid und an einem dem Hofe so nahen Orte, wo es zu den Zwistigkeiten, um nicht zu sagen Skandalen gekommen ist. Der gnädigste Erzherzog hat Euch freigebig beschenkt, damit Ihr endlich in Frieden von dannen ziehet. Die Sache mit den Frauen geht Euch nichts an, sondern sie steht mir zu. Auch werde ich mit dem Fürsten sprechen und ihn darauf aufmerksam machen, dass ohne die Unterstützung durch seine Excellenz nichts geschehen kann. Außerdem ist zu befürchten, dass sich die Ehemänner und Freunde der Frauen an Euch vergreifen. Ich brauche Eure Anwesenheit nicht, da sie mehr behindert als nützt. Wie ich Euch schon geraten habe, sollt Ihr Euch in Euer Heimatkloster zurückziehen, wo Ihr nicht anderen lästig fallt. Schon mehrfach habe ich Euch gesagt, dass Ihr hier in der Diözese nichts mehr zu tun habt und deswegen verschwinden sollt. Daher habe ich geglaubt, Ihr wäret schon längst abgereist.
Brixen, am Aschermittwoch 1486.
Diesem Bischof und auch dem Fürsten würde er noch zeigen, was es hieß, ihn so zu behandeln. Hinausgeschmissen hatten sie ihn und der Bischof hatte ihn gar noch als einen Kindskopf bezeichnet. Dieser tolpatschige Bauerntölpel mischte sich da in Dinge ein, in denen er kein Fachmann war. Ausbildung des Klerus nennt er das, wenn er seine Geistlichen anhält, gegen den Aberglauben zu predigen und so mit Blindheit geschlagen ist, dass er nicht erkennt, wie sich gerade eine neue Sekte über Europa ausbreitet, gegen die sich die Katharer, Waldenser und Hussiten zusammengenommen wie ein harmloser Haufen einfältiger Schwarmgeister ausnehmen!
Auf dem Weg nach Salzburg hatte sich ein Gedanke immer stärker in den Vordergrund geschoben, hatte zunehmend drängender von ihm Besitz ergriffen. Er zwängte und presste sich in sein Innerstes, dehnte sich und füllte ihn irgendwann so aus, bis in ihm kein Platz mehr für etwas anderes war. Er roch nicht den nahenden Frühling, der in der Luft lag, sah nicht die sprießenden Krokusse und die gelben Schlüsselblumen, hatte keinen Blick übrig für die mächtigen Wasser, die von den apernden Bergflanken stürzten und hörte weder den Gesang der Vögel in den Lüften noch das Säuseln des warmen Windes in den knospenden Bäumen.
Seit ihn sein Beichtvater und Mitbruder Wolfgang von Basel verlassen hatte, der seine Launen nicht mehr ertragen konnte, führte er laute Selbstgespräche, die sich nur um das Eine drehten: Rache und Genugtuung für die erlittene Schmach.
»Du bist Inquisitor, hast eine Bulle vom Papst, in der bestätigt wird, dass es Hexen gibt und mit der du bevollmächtigt bist, diese zu verfolgen und zur Rechenschaft zu ziehen. Nur, was nützt das alles?« Wütend hatte
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