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Hexenstein

Hexenstein

Titel: Hexenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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alle schwiegen und sich erholten, fragte sie: »Was hat es mit der Zauberei auf sich?«
    »Und ich kann meine Mutter dann sehen?«, fragte Nora Seipp wieder.
    Schielin versprach es ihr abermals.
    »Ich habe es von meiner Großmutter. Es überspringt immer eine Generation.«
    »Was überspringt eine Generation?«
    »Die Fähigkeit, die Anlage, die Kraft.«
    Wenzel verzog das Gesicht.
    Nora Seipp sah es. »Es ist aber so. Es geht auch nicht darum, andere Menschen, oder Dinge zu verzaubern. Es geht vielmehr darum, sich selbst zu verzaubern, sich selbst …«
    »Und dazu muss man Tiere töten«, kam es anklagend von Schielin.
    Sie sah ihn kopfschüttelnd an. »Ja. Ich töte Tiere. Aber keines muss leiden. Überlegen Sie lieber einmal, wo die Tiere herkommen, die in den Hähnchenbratereien so hübsch am Spieß bräuneln. Die werden noch nicht mal mit der Hand angefasst. Da fährt eine Maschine in die Ställe, ein riesiger Staubsauger, und saugt sie einfach raus, in die Schlachterei. Mahlzeit.«
    »Ach … und am Tierheim die Katzen?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Bedauerlich, aber nicht die Regel. So, nun haben Sie die Mörderin von Gundolf Kohn gefasst, ein Geständnis für Ihre Protokolle – ich möchte nun meine Mutter sehen.«
    Schielin kniff die Augen zusammen. »Das haben wir vermutlich nicht.«
    Sie funkelte ihn an. »Wie?«
    »Gundolf Kohn hat noch einige Stunden gelebt, nachdem Sie das Haus verlassen haben. Das hat die Obduktion ergeben. Das wird eine schwierige Angelegenheit.«
    Er berichtete von dem, was die Haubachers im Haus veranstaltet hatten.

Eseltier
    Gewitter waren gekommen. Über einen Tag hinweg hatte der smaragdfarbene Schimmer der Wolken einen kräftigen Stich ins Grüne erhalten. Es war, als hielte das Leben für eine Sekunde an, als die erste Böe die Wasserburger Halbinsel streifte und bald darauf die Lindauer Insel traf. Mit einem Mal war der fiebrige Dunst wie weggefegt. Ein Blick nach Westen zeigte, was kommen würde. Es wurde mitten am Tag dunkler und die Konturen der Schweizer Hügel traten scharf hervor. Mit bloßem Auge erkannte man Häuser, Kirchen, Straßen. Die orangenen Sturmwarnungen blinkten an den Ufern, der See erwachte. Allerorten wurden Markisen eingezogen, Sonnenschirme verstaut und Geschirr nach innen geräumt.
    Mit Wucht schlug der erste Donner an den Pfänder, hallte mehrfach wider. Die Tage wurden entspannter und in den Nächten kamen kühle Brisen durch die geöffneten Fenster. Die Tage verstrichen gemächlicher.

    Schielin saß in seinem Büro und las. Drüben bei der Polizeiinspektion bekam Laurenz Brender einen Plastikbecher Wasser in die Zelle gebracht. Er war im Büro eines Notars ausgerastet, hatte den Mann angegriffen, anschließend versucht seine Wut am Mobiliar auszulassen. Dabei kam der Notar nur seiner Pflicht nach und verlas, was Brenders Mutter verfügt hatte. Sie war einige Tage zuvor gestorben, im Zimmer, oben, mit Blick auf See, Säntis und Altmann. Die Hitze hatte sie noch ausgehalten. Die Abkühlung aber, die gekommen war und alle anderen erfrischte, die hatte sie nicht verkraftet.
    Schielin war alleine. Gerade noch hatte er Lydia erzählt, dass das Zusammentreffen von Nora Seipp mit ihrer Mutter entgegen seinen Befürchtungen völlig entspannt verlaufen war. Nora Seipp hatte zu ihm gesagt, dass ihr die Erinnerungslosigkeit ihrer Mutter nichts ausmachte. Jetzt habe sie mehr, als sie jemals zuvor gehabt hatte. Der Prozess sollte erst in einigen Wochen stattfinden. Bis dahin musste sie noch in Memmingen sitzen. Er erzählte Lydia noch, dass Jasmin Gangbacher sie regelmäßig besuchte.

    Vorne im Büro bei Robert Funk hatten sich alle anderen versammelt. Wenzel las halblaut aus der Lindauer Zeitung vor. Unterdrücktes Gekicher und Lachen war zu hören. Robert Funk wischte eine Träne von der Backe. Wenzel las einige Passagen des Artikels mehrfach vor, dessen Überschrift lautete: Feriengäste von Esel gebissen!

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