Hexentage
Anwesenheit einer Besatzungstruppe war für Minden zu einer unbequemen Normalität geworden, seit Herzog Georg von Braunschweig-Lüneburg vor annähernd zwei Jahren in schwedischem Auftrag die Stadt belagert und erobert hatte. Jakob erinnerte sich sehr gut an die Zeit, als Minden unter den Beschuß der Kanonen genommen worden war. Als die Munition zur Verteidigung ausging, hatte man aus den Bleidächern der Kirchen St. Marien und St. Simeon Kugeln für die Geschütze gegossen. Trotz dieser verzweifelten Maßnahmen hatte der Hunger schließlich zur Kapitulation geführt.
Jakob setzte sich auf einen Stuhl und machte sich bereit für die Rasur.
Catharina befeuchtete sein Gesicht, doch bevor sie das Messer an seine Wange legte, hielt sie einen Moment inne und faßte seine rechte Hand.
»Ihr zittert.«
»Es ist kalt. Ich friere«, sagte Jakob. Er zwang sich zur Ruhe, bemüht, das nervöse Zittern seiner Finger zu unterbinden.
Die Magd schien sich damit zufriedenzugeben. »Vielleicht |20| fürchtet Ihr Euch vor meinem Messer«, scherzte sie und setzte die scharfe Klinge an seinen Hals. Das kühle Eisen kitzelte auf der Haut, als sie das Messer geschickt über seine Bartstoppeln kratzen ließ.
Jakob senkte seinen Blick und lugte verstohlen in Catharinas Dekolleté. Obwohl sie noch keine dreißig Jahre alt war, hatte sie bereits fünf Kinder geboren, von denen drei im Säuglingsalter gestorben waren. Ihr fülliger Körper strahlte eine angenehme mütterliche Wärme aus. Vor allem ihre üppigen Brüste, die ein verlockendes Eigenleben entwickelten, wenn Catharina heftig lachte oder die Arme hob, um ein hohes Regal zu erreichen, erregten Jakobs Aufmerksamkeit. Während der morgendlichen Rasuren hatte er sich oft gefragt, ob Catharina die obersten Schnürbänder ihres Kleides absichtlich lockerte. Gefiel es ihr vielleicht sogar, wenn sie seine Blicke auf sich zog? Jakob wagte es nicht, eingehender über diese Vermutung nachzudenken, schließlich hatte er bereits ein Eheversprechen geleistet. Zudem war es eine Sünde vor Gott, sich in Gedanken der Fleischeslust hinzugeben.
Trotzdem gewann des Nachts oft die Phantasie Macht über ihn, und lüstern malte er sich in diesen Momenten aus, wie es sein würde, diese herrlichen Brüste, die fünf Kinder genährt hatten, zu liebkosen und zu küssen.
»Catharina, ich frage mich, warum du so viel Wert darauf legst, mich rasieren zu dürfen. Du scheinst regelrecht versessen darauf zu sein«, sagte er, um sich von seinen lustvollen Gedanken abzulenken.
»Könnt Ihr Euch nicht denken warum? Wann bekommt eine Magd wie ich schon einmal die Gelegenheit, einem Herrn von Eurem Stande ungestraft ein Messer an die Kehle zu setzen.«
Einen Augenblick lang stutzte er, dann kicherte er so plötzlich, daß Catharina ihn beinahe geschnitten hätte.
Auch Catharina lachte, und ihre Brüste hüpften erneut munter auf und ab.
|21| »Ich hoffe, Ihr nehmt mir diese Worte nicht übel, mein Herr«, meinte sie.
Jakob schüttelte den Kopf. »Wer sollte sich um die Pflege meines Bartes kümmern, wenn ich dich abweisen würde.«
»Wie recht Ihr habt.« Sie schenkte ihm ein Lächeln und fuhr mit ihrer Arbeit fort. Nachdem sie die Rasur beendet hatte, wischte sie mit einem nassen Tuch über sein Gesicht und säuberte das Messer. Anschließend kämmte sie sein Haar.
»Ihr solltet Euch ankleiden, sonst erkältet Ihr euch noch.«
Jakob nickte und forderte Catharina zum Verlassen der Kammer auf, indem er den Nachttopf hervorzog und ihn der Magd in die Hände drückte. Es war eine alltägliche Arbeit für Catharina, die Ausscheidungen der Familie Laurentz und ihrer Gäste auf den Dunghaufen im Hinterhof zu schütten.
Die Magd wandte sich zum Gehen, doch dann sagte sie: »Be vor ich es vergesse, das Fräulein Agnes trug mir auf, Euch zu ihr zu schicken, wenn Ihr aufgewacht seid.«
»Ich werde sie aufsuchen, sobald ich meine Kleider angelegt habe.«
»Sie scheint ein wenig verstimmt zu sein.«
Jakob verzog schuldbewußt das Gesicht. Er ahnte bereits, warum Agnes nicht gut auf ihn zu sprechen war.
»Danke, Catharina«, meinte er. »Geh jetzt.«
Catharina verließ die Kammer. Jakob klappte eine Truhe auf, aus der er seine Beinkleider, ein Wams sowie eine ärmellose Weste nahm.
Er fand Agnes im Salon, dem einzigen Zimmer des Hauses, das mit verschwenderischer Pracht ausgestattet worden war. Nicht allein die kostbaren Kunstschränke und edlen Gobelins an Wänden und Decke zogen das Augenmerk des
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