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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Wilcke
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an das strenge Aroma getrockneten Schweißes, und die funkelnden Augen lassen eine abgründige Bösartigkeit erkennen.
    Doch es ist nur ein Hund, dem er sich mit langsamen Schritten nähert – ein großer magerer Streuner, der jede Bewegung der Person vor sich mit einem grollenden Knurren quittiert.
    Wohlwissend, daß es gefährlich ist, das unberechenbare Tier zu berühren, wollen seine Füße nicht der warnenden Stimme seines
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Verstandes gehorchen, die in seinem Kopf regelrecht aufkreischt, um ihn von diesem Hund fernzuhalten.
    Er streckt eine Hand nach dem Fell aus, aber es sind nicht seine eigenen Finger, sondern die eines Kindes, das nicht ahnt, welches Unglück dieser Tag über es bringen wird.
    Der Kopf des Hundes zuckt zur Seite, er läßt vom Knochen ab, und die Lefzen schieben sich über das spitze Gebiß.
    Überrascht ziehen sich die Finger zurück, aber es ist bereits zu spät. Die Zähne des Tieres stülpen sich über die Hand und zerquetschen die Finger mit einem kräftigen Biß.
    Ein schriller Schrei entringt sich seiner Kehle, als der Schmerz den Körper durchflutet. Dann ist der Hund über ihm, drückt ihn zu Boden und gräbt das messerscharfe Gebiß in sein Gesicht. Ein Schwall Blut schießt ihm in Augen und Mund. Sein Körper windet sich verzweifelt unter der Last des wie besessen zuschnappenden Tieres, und die Welt versinkt in einem dunklen Meer unvorstellbarer Qualen.
     
    Jakob Theis riß entsetzt die Augen auf und starrte in sein eigenes Gesicht, das sich auf der Oberfläche einer mit Wasser gefüllten Messingschale widerspiegelte – das Antlitz eines Achtzehnjährigen mit schulterlangen Haaren und einem Kinnbart, der noch nicht recht wachsen wollte.
    Einen Moment lang war er wie gelähmt. Selbst hier in der realen Welt ließ die schreckliche Pein des Todeskampfes seine Glieder verkrampfen. Dann befreite er sich aus der Gewalt seiner Vision und schleuderte mit einer wütenden Handbewegung die Messingschale von der Anrichte. Scheppernd fiel sie auf den Fußboden. Die Flüssigkeit verschwand so schnell in die Ritzen der Bodenbretter, als ergriffe sie panisch die Flucht vor seinem Zorn.
    Nur das verfluchte Wasser ist schuld,
schoß es ihm durch den Kopf. Plötzlich bekam er keine Luft mehr und fiel auf die Knie. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Jakob rang einige Augenblicke |16| vergeblich nach Atem, dann endlich löste sich die Enge in seinem Hals. Schwindel überfiel ihn, und er mußte sich an der Wand festhalten, um nicht hinzufallen.
    »Weicht von mir, Dämonen!« stöhnte Jakob und bekreuzigte sich. Erst als das Schwindelgefühl in seinem Kopf nachgelassen hatte, war es ihm wieder möglich, sich zu orientieren. Er befand sich in Minden, im Haus seines Mentors und Brautvaters Johann Albrecht Laurentz. Sein Blick streifte durch die spärlich eingerichtete Kammer und blieb an dem Lesepult hängen, auf dem sich ein gutes Dutzend Bücher stapelte.
    Man hätte es ein Übel nennen können, daß er als angehender Student der Rechtswissenschaften in Laurentz’ Haus auf eine Bibliothek gestoßen war, die ihm neben den Grundlagen juristischer Standardliteratur auch zahlreiche Werke und Traktate über das Wesen der Hexerei und der Teufelsbuhlschaften offerierte. Ein Fachbereich, der seit einiger Zeit Jakobs besondere Aufmerksamkeit auf sich zog. Als Folge legte er sich nicht mehr zur gewohnten Zeit am frühen Abend schlafen, sondern brachte Stunde um Stunde an seinem Lesepult zu und studierte im matten Licht einer Talgkerze Werke wie den
Tractatus de Confessionibus Maleficorum et Sagarum
des ehemaligen Trierer Weihbischofs Peter Binsfeld, Jean Bodins
Daemonolatriae libri tres
oder die Abhandlungen des spanischen Jesuiten Martin Delrio, dessen
Disquisitionum magicarum
in Jakobs Augen ein ungemein detailliertes juristisches Lehrbuch über das Hexentreiben darstellte.
    Vielleicht, so überlegte er, lag es an dem Mangel an Schlaf, daß die Vision ihn überrascht hatte. Die unheilvollen Gesichter hatten ihn nicht oft in den letzten Jahren überfallen, aber doch häufig genug, um Jakob begreiflich zu machen, auf welch bizarre Art der Teufel selbst frommen und rechtschaffenen Menschen nahe kam.
    Wer anders als der Satan oder einer seiner Dämonen konnte die Macht besitzen, das Leiden und den Schmerz anderer Menschen |17| in seinem Kopf zum Leben zu erwecken? Ereignisse, die Wochen oder auch Monate zurücklagen, fanden so in ihm ein schreckliches Echo.
    Jakob fuhr sich mit den Händen über das Gesicht.

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