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Hexentöchter: Erotischer Vampirroman (German Edition)

Hexentöchter: Erotischer Vampirroman (German Edition)

Titel: Hexentöchter: Erotischer Vampirroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Vara
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hervorwagten. Sie strahlten so viele unterschiedliche, intensive Gefühle aus, wie Lust, Hass, Wut, Gefahr, Liebe, Trauer. Cyrill mochte dieses nächtliche Konglomerat an Gedanken und Emotionen, es war leidenschaftlich und gefährlich.
    Er kannte London seit sehr vielen Jahren. Es gab weder in den dreckigen Elendsvierteln noch in den Stadtteilen, wo die Reichen und Adeligen wohnten, eine Straße, ein Haus, eine Ecke, die er nicht schon einmal gesehen hatte. Er hatte ausreichend Zeit gehabt, London kennenzulernen, sein Wachsen, seine Veränderungen zu erleben, und er war gewohnt, es als seine Stadt anzusehen. Die Bewohner – besonders in den Armutsvierteln – waren damit vertraut, ihn durchschlendern zu sehen, wenn er in der Dämmerung oder des Nachts unterwegs war, und legten zum Teil großen Wert darauf, ihm so weit wie möglich auszuweichen.
    Auch an diesem Abend war es nicht anders. Dunkle Schatten kreuzten seinen Weg, wichen vor ihm zurück, drängten sich halbverfallene Steinmauern entlang, verschmolzen mit morschen Planken. Der Geruch von Elend, Leidenschaft und Tod lag wie eine dichte Decke über allem. Cyrill verabscheute diese Atmosphäre, und zugleich suchte er sie. Sie war wahrhaftiger als die gekünstelten Leben der Reichen, die ihre Fassaden der Biederkeit kultivierten, saubere Kleidung und ganze Flakons von Parfüm trugen, um das schmutzige Darunter zu übertünchen. Hier war alles echt. In der Gosse gab es keinen Schein mehr.
    Er hatte die Straße zur Hälfte durchwandert, als vor ihm eine unvermutete und ungewohnte Bewegung entstand. Etwas Lichtes durchbrach die Dunkelheit. Leuchtendes Haar, eine helle Stimme, die den Nebel teilte. Eine sehr zornige Stimme, die zu einer Frau gehörte. Schatten umschwärmten sie, kamen näher, wichen zurück. Zischende Laute, ein leises Fauchen, höhnisches Gelächter füllte die Straße, als sie den Regenschirm hob, um nach den Angreifern zu schlagen. Die Szene war nur von einem mickrigen Feuer erhellt, um das sich einige Gestalten geschart hatten, die ängstlich zusahen.
    „Verschwindet! Sonst könnt ihr etwas erleben! Macht euch davon! Widerwärtiges Gesindel!“
    Ihre Stimme schwankte nicht. Sie war wütend, und sie hatte Mut. Cyrill hatte schon Frauen in ähnlichen Situationen gesehen; heruntergekommene Prostituierte, Bettlerinnen, Diebinnen, Mörderinnen, Geschöpfe dieser Welt und der Gosse, die es mit Leben und Tod nicht genau nahmen und bei den Angriffen der Schatten doch wimmernd und laut schreiend versucht hatten, zu entkommen. Diese hier war sogar furchtlos – oder wohl eher dumm genug – einen der Angreifer, der ein paar Schritte zurückwich, zu verfolgen und mit ihrem Schirm auf ihn einzudreschen.
    Cyrill schlenderte näher. Er war sich noch nicht sicher, was er tun wollte. Einerseits hatten die Schatten der Slums das Recht dazu, jedes Wild, das sich des Nachts hierher verlief, für sich zu beanspruchen - es war ihre Nahrungsquelle. Aber andererseits rührte ihn etwas an diesem Mädchen. Sie gehörte auch ganz offenbar nicht hierher, dafür sprach ihr ganzes Auftreten, ihre Kleidung, ihre Sprache. Wenn auch nur einer außerhalb dieser Viertel wusste, dass sie in diese Gegend gekommen und hier spurlos verschwunden war, wimmelte es in den nächsten Tagen in diesen Gassen von Bütteln. Außerdem – so gänzlich spurlos verschwanden sie nie. Die Lebewesen, Menschen und Schatten, konnten zwar viel brauchen - und was nicht, landete diskret in der zähen Masse des Abwasserkanals, der dieses Viertel durchzog und jede Art von Abfall mit sich führte - aber irgendetwas blieb immer zurück, und wäre es nur der Geruch nach unschuldigem Blut.
    Cyrill trat in den Schein des kleinen Feuers. Sofort veränderte sich die Szenerie. Die Schatten zogen sich zurück und verharrten außerhalb des schwachen Lichtkreises. Sie warteten. Cyrills Blick schweifte über die kleine Gruppe um das Feuer. Menschen. Sie regten sich nicht. Er sah eine zahnlose Frau, deren Gesicht von Pusteln überzogen war, eine etwas jüngere, die ihr Gesicht hinter einem Tuch verborgen hatte, und einen verkrüppelten Alten mit tiefen Pockennarben, der so gekrümmt da hockte, dass man sein Gesicht kaum sehen konnte. Menschlicher Auswurf, Sklaven der Dämonen.
    Das Mädchen war mitten auf der Straße stehen geblieben. Das Feuer beleuchtete ihr Gesicht; sie war noch sehr jung und nicht gerade reizlos. Sie warf einen abschätzenden Blick auf Cyrill, dann drehte sie sich langsam mit dem Schirm im Kreis.

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