Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit
gekauft, sodass wir eigentlich ungestört hätten fahren und reden können, aber der Zug war überfüllt und der Schaffner hatte Howard mit einem gleichmütigen Achselzucken geantwortet, dass er die Passagiere schließlich nicht auf den Kohletender verfrachten könne – womit er Recht hatte. Es waren ein Mann und zwei Frauen (wie aus ihren Gesprächen hervorging, ein Ehepaar in Begleitung der Schwiegermutter) gewesen, eigentlich drei nicht einmal unnette Personen, denen anzumerken war, wie unangenehm ihnen die ganze Situation war. Eigentlich hatte ich sie ganz sympathisch gefunden. Aber es redete sich schlecht über Hexen, Magier und GROSSE ALTE, wenn fremde Ohren mithörten …
»Was?«, fragte Howard.
Ich wiederholte meine Frage: »Salem«, sagte ich. »Als wir gestern Abend mit … Priscylla sprachen, erwähntest du Salem.« Das unmerkliche Stocken in meinen Worten musste ihm auffallen. Obwohl ich mir alle Mühe gab, hatte ich die Ereignisse längst nicht verwunden, geschweige denn vergessen. Wie konnte ich auch? Ich liebte Priscylla noch immer. Jetzt vielleicht mehr als zuvor. Aber Howard ging nicht auf den warnenden Ton in meiner Stimme ein.
»Ich sagte Salem«, antwortete er und lehnte sich wieder zurück, als wolle er schlafen. Es war nicht das erste Mal, dass ich ihn auf seine Worte ansprach.
Und es war nicht das erste Mal, dass er nicht oder nur ausweichend antwortete. Aber dieses Mal würde ich mich nicht mit einer Ausflucht abspeisen lassen. Seine Worte ergaben keinen Sinn, außer …
Ich schüttelte den Gedanken ab und sah ihm scharf in die Augen. Howard lächelte, unterdrückte mit Mühe ein Gähnen und blickte auf die Landschaft, die vor dem Fenster vorüberhuschte. Der Zug fuhr jetzt, auf dem letzten, beinahe schnurgerade verlaufenden Stück der Strecke, mit voller Geschwindigkeit und unsere Umgebung flog nur so an uns vorüber. In weniger als zwei Stunden würden wir Glasgow erreichen. Von dort aus sollte die Reise – wenigstens hatte Howard mir dies erklärt – mit einer Kutsche weitergehen, die er telegrafisch zum Bahnhof bestellt hatte. Wenn wir erst einmal in der Stadt waren, würde er sicher genug Gelegenheiten finden, mir nicht antworten zu müssen.
»Und?«, fragte ich.
Howard blickte mit unverhohlenem Missmut auf. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er die Penetranz, mit der ich auf einer Antwort beharrte, als äußerst lästig empfand. »Was und?«, fragte er.
»Ich möchte wissen, wie du deine Worte gemeint hast«, sagte ich, nicht sehr laut, aber mit großem Nachdruck. Etwas hatte sich zwischen uns geändert. Während der letzten beiden Tage war er wie ein väterlicher Freund zu mir gewesen, und jetzt …
Ich konnte das Gefühl selbst nicht in Worte fassen. Es war keine Feindschaft, nicht einmal Misstrauen. Aber es gab eine fühlbare Spannung zwischen uns. Er verschwieg mir etwas und ich spürte es.
Howard seufzte, schüttelte den Kopf und rutschte auf dem unbequemen Sitz hin und her. »Du machst dir Sorgen um Priscylla«, sagte er. »Das verstehe ich, Junge. Aber sie ist bei Dr. Grays Freunden in den besten Händen. Sie haben Erfahrung in solchen Dingen, glaube mir. Wenn es jemanden gibt, der aus ihr wieder einen normalen Menschen machen kann, dann sie.«
»Einen normalen Menschen?« Ich hatte Mühe, den Zorn in meiner Stimme zu unterdrücken. »Du sprichst von ihr, als wäre sie geistesgestört.«
Howard sah mich ernst an. »Das ist sie auch, Robert«, sagte er leise. »Nicht so, wie man das Wort normalerweise benutzt – sie ist nicht verrückt oder gar schwachsinnig. Aber ihr Geist ist verwirrt.« Er machte eine entsprechende Bewegung zur Stirn. »Sie hat sich mit Mächten eingelassen, denen sie nicht gewachsen ist, Robert. Sie ist nicht böse; nicht wirklich. Früher war sie sogar ein ausgesprochen liebenswerter Mensch. Und es wird sehr viel Zeit und Geduld nötig sein, sie wieder zu dem Menschen zu machen, der sie war.«
»In Salem«, fügte ich hinzu.
Howards Blick verfinsterte sich. »Bitte, Robert«, sagte er leise. »Fang nicht …«
»Du verschweigst mir etwas«, unterbrach ich ihn. Rowlf, der die ganze Zeit schweigend und mit geschlossenen Augen neben Howard gehockt und so getan hatte, als schliefe er – ohne dass ich darauf hereingefallen wäre – hob träge das linke Augenlid und blinzelte mich an.
»Du verschweigst mir sogar eine ganze Menge«, fuhr ich in scharfem, beinahe aggressivem Ton fort. »Du hast mir weder gesagt wohin ihr Priscylla bringt, noch
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