Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit
umzusehen, bot sich meinen Blicken ein bizarres Bild. Das gesamte Hafenbecken stand in Flammen, aber es war ein Feuer, das mitten in der Bewegung erstarrt war und keine Hitze abgab; so, wie auch das Wasser zu einer gläsernen Decke gefroren zu sein schien. Selbst die winzigen Schaumspritzer, die von den Wellen hochgewirbelt wurden, waren erstarrt und hingen schwerelos in der Luft.
Eine Hand berührte mich beinahe sanft am Arm, und als ich den Blick wandte, sah ich Howard. Und hinter ihm …
Die Menge stand noch so da, wie sie in diese sonderbare Starre verfallen war: reglos und starr, auf den Gesichtern ein Ausdruck gefrorenen Schreckens, die Körper leicht durchsichtig, als bestünden sie mehr aus Rauch oder Nebel denn aus Fleisch und Blut, und ich begriff, dass wir uns noch immer in diesem schmalen Zwischenbereich zwischen Realität und Jenseits aufhielten. Aber der Gedanke erreichte mein Bewusstsein kaum. Ich hatte nur Blicke für die schlanke, dunkelhaarige Gestalt, die hinter Howard aufgetaucht war und mich aus dunklen Augen musterte.
Wir sahen uns sogar ähnlich. Jetzt, als ich ihm zum ersten Mal seit Monaten wieder bewusst gegenüberstand, fiel mir auf, wie stark die Ähnlichkeit zwischen uns war. Er war dreißig Jahre älter, aber das war auch der einzige Unterschied; wir hätten Brüder sein können.
Aber schließlich war er auch mein Vater.
»Robert.«
Seine Stimme klang sonderbar; es war eine Spur von Trauer darin, und Furcht. Furcht wovor?
Ich stand auf, tauschte einen verwirrten Blick mit Howard, der mir nur zulächelte und zur Seite trat, und ging auf ihn zu.
»Vater?«, fragte ich. »Du bist … zurückgekehrt.«
Er lächelte. »Ich war die ganze Zeit bei dir, Robert«, sagte er geheimnisvoll. »Aber ich konnte mich nicht zeigen.«
»Du warst …« Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. »Sean«, sagte ich. »Du warst Sean!«
Wieder nickte er und der unerklärliche Ausdruck von Trauer in seinem Blick wurde stärker. »Ich wollte dich noch einmal sehen, ehe ich … gehen muss.«
»Gehen?«, wiederholte ich verwirrt.
Er nickte. »Ja. Ich habe getan, was getan werden musste. Meine Aufgabe ist beendet, Robert.«
»Deine Aufgabe? Du meinst …«
»Nichts von dem, was geschah, war Zufall«, sagte er ernst.
»Aber du … du warst …«
»Auf der Gegenseite?« Er lächelte, sanft und verzeihend. »Das war ich niemals, Robert. Keine Macht des Universums könnte mich zwingen, gegen mein eigenes Volk zu kämpfen. Aber ich musste es tun. Ich musste dich und Howard und alle anderen täuschen, um die Gefahr abzuwenden, die über uns allen schwebte.«
Instinktiv blickte ich zum Meer. Der schwarze Tornado war verschwunden, aber – war es Einbildung, oder sah ich es wirklich? – tief unter der Wasseroberfläche schienen eine Anzahl monströser Schatten zu pulsieren wie gigantische, böse schwarze Herzen.
»Das war es, was Yog-Sothoth wollte«, beantwortete Andara meine unausgesprochene Frage. »Er allein wurde durch das Wirken der Hexer von Jerusalems Lot in unsere Welt geholt, aber sein Trachten galt von Anfang an dem Ziel, sein Volk wieder auferstehen zu lassen. Erinnerst du dich an das, was ich dir auf dem Schiff erzählte?«
Ich nickte, schwieg aber und wartete, dass er weiterredete, und nach einer Weile tat er es. »Ich musste ihn täuschen«, sagte er. »Er hätte einen Weg gefunden, die Schranken der Zeit zu durchbrechen, auch ohne mich.«
»Aber er hat es getan«, widersprach ich. »Einige seines Volkes sind …«
»Nur wenige«, unterbrach er mich. »Nur dreizehn haben den Schritt durch die Zeiten geschafft, und es wird eure Aufgabe sein, sie zu bekämpfen. Unterschätze sie niemals, Robert.«
»Und … die anderen?«, fragte ich stockend.
»Der Weg, den sie gehen wollten, ist auf immer versperrt«, sagte er. »Deshalb spielte ich euren Feind, Robert. Ich wiegte Yog-Sothoth in dem Glauben mich zu beherrschen, Herr meines Willens zu sein und sich meiner zu bedienen. Vielleicht habe ich versagt, dreizehn von ihnen Einlass in unsere Welt zu gewähren, aber es war der einzige Weg, der tausendfachen Zahl den Weg zu versperren.«
»Dann war es … eine Falle.«
»Ja«, antwortete Andara. »Ich musste es tun. Und ich hoffe, du kannst mir verzeihen.«
Verzeihen … Ich dachte an Gordon und Tremayn, an die Männer und Frauen, die in dem brennenden Haus ums Leben gekommen waren, an andere Unschuldige, die gestorben waren.
»Warum?«, fragte ich.
Er schien meine Gedanken zu
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