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Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit

Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit

Titel: Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Augenbraue rutschte ein Stück weit seine Stirn empor. »Nicht?«, wiederholte er mit gespielter Verwunderung. »Sie werden sich wundern, was alles zur Debatte steht, wenn Ihr feiner Sohn meine Tochter auch nur angerührt hat. Sie ist noch ein Kind, vergessen Sie das nicht.«
    »Ein Kind?« Carradine lachte, aber seiner Stimme fehlte die nötige Selbstsicherheit. Boldwinn war ein mächtiger Mann, das wusste er. Wenn Charles die Kleine auch nur falsch angesehen hatte, würde Boldwinn ihn vernichten, das war ihm klar. Und es war auch der einzige Grund, aus dem er hier war. Charles würde ihn hassen, wenn ausgerechnet er, sein eigener Vater, ihn verriet. Und vermutlich würde er es mit Recht tun. Aber er hatte keine Wahl.
    »Lassen wir das«, sagte er, ohne Boldwinn dabei anzusehen. »Ich bin sicher, dass sie hier irgendwo sind. Das Schloss ist aufgebrochen worden, sehen Sie? Und die Spuren führen nur hinein, nicht wieder hinaus. Kommen Sie.« Er machte eine einladende Bewegung mit der Laterne, schob die Tür ein Stück weiter auf und trat in die dahinterliegende Halle. Boldwinn folgte ihm nach kurzem Zögern. Auf seinem bleichen Stutzergesicht erschien ein angewiderter Ausdruck, als er den Staub und den Unrat sah, die die Jahrzehnte in der Halle abgeladen hatten.
    Carradine hielt seine Laterne höher, beugte sich ein wenig vor und folgte der Fußspur, die sich deutlich im knöcheltiefen Staub abzeichnete. Sie führte in gerader Linie zur Treppe und brach dann ab. Aber es war nicht schwer zu erraten, wohin sie führte. Carradine deutete mit einer Kopfbewegung nach oben, wartete, bis Boldwinn aufgeholt hatte und neben ihm stehen geblieben war und ging dann ohne ein Wort weiter. Auf der obersten Stufe blieb er stehen, hob seine Laterne höher über den Kopf und versuchte im Staub zu seinen Füßen die Spuren wiederzufinden. Es gelang ihm, aber sie verschwanden schon nach wenigen Metern erneut.
    So abrupt, als hätten sich die beiden Menschen, von denen sie stammten, in Luft aufgelöst …
    Carradine blinzelte verwirrt. Boldwinn bemerkte sein Zögern, runzelte die Stirn und wollte an ihm vorbeitreten, aber Carradine hielt ihn mit einer raschen Handbewegung zurück. »Nicht«, sagte er. »Sie verwischen nur die Spur. Sehen Sie.«
    Boldwinn blickte gehorsam in die Richtung, in die sein ausgestreckter Arm wies, aber der fragende Ausdruck auf seinen Zügen änderte sich nicht. »Was meinen Sie?«, fragte er.
    »Die Spuren«, murmelte Carradine verstört. »Sehen Sie sich die Spuren an, Boldwinn.«
    Boldwinn gehorchte. »Und?«, fragte er.
    »Verdammt, sind Sie blind?«, schnappte Carradine. »Fällt Ihnen nichts auf? Sie beginnen hier – und wo enden sie, bitteschön?«
    »Sie …« Boldwinn verstummte verwirrt, blickte ein paarmal von seinem Gesicht auf die Fußspur, die so abrupt abbrach, und wieder zurück, und sog hörbar die Luft ein. Sein Gesicht verfinsterte sich.
    »Hören Sie, Carradine«, sagte er leise. »Wenn das ein Trick ist, mit dem Sie Ihren Herrn Sohn schützen wollen …«
    »Aber natürlich«, unterbrach ihn Carradine wütend. »Ich habe genau gewusst, was die beiden vorhaben, wissen Sie? Ich bin gestern schon hierher gekommen und habe diese falsche Spur gelegt, um Sie zu täuschen, Boldwinn. Ich habe meine Schuhe an den Füßen und die Ihrer Tochter an den Händen getragen und bin hier heraufgekrochen, damit alles ganz echt aussieht. Und dann, als ich hier war, habe ich meine Flügel ausgeklappt und bin weggeflogen.«
    Boldwinn schluckte und starrte ihn mit einer Mischung aus Zorn und Verwirrung an. »Aber das ist doch unmöglich«, sagte er, noch immer laut, aber jetzt in einem Tonfall, der eher hilflos als aggressiv klang. »Eine Spur kann doch nicht einfach im Nichts enden.«
    »Diese hier tut es aber«, schnappte Carradine.
    »Und was … was tun wir jetzt?«
    Carradine zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung«, brummte er. »Aber es wird uns wohl nicht viel anderes übrig bleiben, als das Haus Zimmer für Zimmer zu durchsuchen.«
    »Allein?«, entfuhr es Boldwinn. »Dieses Haus muss Dutzende von Zimmern haben, Carradine!«
    »Wir können natürlich auch zurückgehen und Hilfe holen«, erwiderte Carradine gelassen. »Aber machen Sie mich nicht verantwortlich, wenn dann niemand mehr hier ist.«
    Boldwinn zögerte. Sein Blick wanderte den Weg zurück, den sie gekommen waren, und saugte sich einen Herzschlag lang an der offen stehenden Tür fest. Sein Gesicht wirkte im grellen Schein der Laterne noch

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