Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns

Titel: Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Zeit verharrt und schließlich den Waldrand erreicht. Seine Arme hatten sich aufgespalten, waren zu zahllosen haarfeinen Tastern geworden, die gierig in alle Richtungen griffen und nach Leben suchten; Nahrung, die den Hunger von zweitausend Millionen Jahren nicht zu stillen vermochte. Eine breite, wie mit Feuer ausgebrannte Spur war im Wald zurückgeblieben, ein halbkreisförmiger, ausgefräster Tunnel, der den Weg markierte, den der Shoggote genommen hatte.
    Schließlich hatte er eine Lichtung erreicht und war wieder verharrt, hatte haarfeine Fühler in den Boden gesenkt und geduldig gesucht und geforscht, bis er gefunden hatte, was er brauchte: eine Höhle, eine licht- und luftlose Blase, dreißig, vierzig Fuß unter dem Waldboden, vor Äonen durch eine Willkür der Natur entstanden. Trotz seiner gewaltigen Körpermasse hatte es ihm keine Schwierigkeiten bereitet, das Erdreich zu durchdringen: Sein Leib hatte sich in eine schwammige Gallertmasse verwandelt, die träge wie zähflüssiges Öl durch das Erdreich floss und sich tief unter dem Wald wieder zu der absurden Monstrosität vereinigte, als die es an Land gekrochen war.
    Wieder war er lange und reglos liegen geblieben, eine scheinbar sinnlose Anhäufung schwarzer Zellen und hirn- und geistloser Protoplasma-Masse, die in regelmäßigen Abständen pulsierte. Dann, irgendwann nach Stunden, hatte er wieder Fühler ausgeschickt, Tastärmchen, hundertmal dünner als ein menschliches Haar, die das Erdreich im weiten Umkreis durchdrangen, und, unsichtbar für das menschliche Auge, damit begannen, ein gewaltiges unterirdisches Gewebe zu schaffen, ein Ding wie ein gigantisches Spinnennetz, in dessen Zentrum der riesige Shoggote saß. Er spürte das Leben, das ihn umgab, und wieder flammte die Gier in ihm auf, der Impuls, alles zu fressen und zu absorbieren, was er erreichen konnte, wie es seine Art war.
    Und doch tat er es nicht. Seine Tentakel erreichten Baumwurzeln und Gras, vereinigten sich mit dem Geflecht der Pilze, das den Waldboden wie ein lebender Teppich durchdrang, und vereinigten sich mit ihm, um etwas Neues, Fürchterliches zu schaffen …
     
    Es war dunkel geworden, während ich, wie ein Dieb von Tür zu Tür und von Schatten zu Schatten huschend, weiter stadteinwärts geeilt und schließlich nach Osten abgebogen war, statt der Hauptstraße zu folgen, die mich zum Hafen hinabgeführt hätte. Ich war einer Anzahl Menschen begegnet, aber niemand hatte Notiz von mir genommen. Die hereinbrechende Dunkelheit und der Brand am Hafen schützten mich, und Durness war, obgleich alles andere als eine Großstadt, so doch auch nicht so klein, dass sich seine Bewohner untereinander alle gekannt hätten. Trotzdem hatte ich mich gehütet, den Hut abzusetzen oder gar einem der Männer oder Frauen, die mir begegnet waren, direkt ins Gesicht zu blicken.
    Ich war nicht sicher gewesen, ob ich das Haus wiederfinden würde, aber – so absurd es klang – die Dunkelheit half mir dabei. Es war dunkel gewesen, als ich das erste und einzige Mal hier gewesen war, und obwohl ich nicht einmal sonderlich auf den Weg geachtet hatte, hatte ich mir doch unbewusst den einen oder anderen markanten Punkt eingeprägt, und nach weniger als einer halben Stunde stand ich vor dem schäbigen Haus und sah mich fast angstvoll nach beiden Seiten um. Ich war jetzt näher am Hafen und ab und zu, wenn sich der Wind drehte, konnte ich das Prasseln der Flammen und das Schreien und Rufen der Löschmannschaften hören. Die halbe Stadt musste auf den Beinen sein, um das Feuer zu löschen, und so, wie es aussah, würden sie noch einen guten Teil der Nacht damit zu tun haben. Zeit genug für uns …
    Ich sah mich noch einmal sichernd nach allen Seiten um, schob dann die Tür mit einer entschlossenen Bewegung auf und trat gebückt ins Haus. Der Flur mit der steil nach oben führenden Holztreppe kam mir noch schäbiger und heruntergekommener vor als beim ersten Mal und nach der kalten, vom Regen gereinigten Luft draußen hatte ich das Gefühl, hier drinnen kaum mehr Atem holen zu können. Ich schloss die Tür, zog den Hut noch ein wenig tiefer in die Stirn, für den Fall, dass mir unverhofft jemand entgegen kommen sollte, und eilte die Treppe hinauf.
    Vor der schmalen Tür am Ende des Korridors blieb ich noch einmal stehen. Plötzlich fielen mir tausend Dinge ein, die schief gehen konnten, und für einen kurzen Moment war ich dicht davor, einfach kehrt zu machen und davonzulaufen, so schnell ich konnte. Irgendwo

Weitere Kostenlose Bücher