Hier kommt Hoeneß!
zum Arbeiten. Hoeneß befürchtet: »Wenn ich ständig meine 200 oder wie viele Mails auch immer abrufe, habe ich ein Problem: Ich habe keine Zeit mehr zu arbeiten.«
Seinen Auftritt bei der Jahreshauptversammlung von 2007 bereut Hoeneß nur zum Teil, in der Sache wähnt er sich im Recht. »Natürlich stehe ich dazu. Ich bin der Meinung, dass wir diese Vorwürfe nicht verdient haben«, sagte er der »Neuen Zürcher Zeitung« eineinhalb Jahre später und rechtfertigte die Gründe für seinen Ausraster: »Wir wollen die Balance schaffen zwischen den Wurzeln, den Fans, und der Wirtschaft. Sie sollen sich respektieren. Ultras, die sich den Deckmantel von kleinen Leuten angezogen haben, haben versucht, einen Zwist zu machen zwischen denen, die Champagner trinken in der Loge, und den angeblich kleinen Leuten. Aber den kleinen Mann in der Südkurve können wir nur mit einer Saisonkarte von 120 Euro ins Stadion lassen, wenn es Leute gibt, die 6000 oder 8000 Euro bezahlen.«
Natürlich folgten Beschwerden auf seine Fanbeschimpfung, die er sich sehr zu Herzen nahm. Der Vorstand der FC Bayern München AG veröffentlichte tags darauf einen offenen Brief an die Fans mit der Einladung zur Diskussion.
Jahre später rekapitulierte Hoeneß: »Ich würde sicher nicht wieder so emotional reagieren. Aber wenn man mal loslegt, passiert das eben.« In solchen Momenten färbt sich sein Gesicht. Wie immer, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt oder er einem Journalisten mal wieder die Welt erklären muss. Im Winter kommt es dann vor, dass sich seine Gesichtsfarbe dem Rot seiner dicken Stadionjacke annähert. Nein, nein, dies habe nichts mit einem Wutanfall zu tun – dieses Dementi verbreitete seine Frau Susi im Juni 2009 rechtzeitig vor Beginn des Hochsommers über die Illustrierte »Bunte«. Ihr Mann leide vielmehr an einer Lichtempfindlichkeit. »Diese rote Hautfarbe kommt nicht daher, dass er explodiert ist«, sagte sie und erklärte: »Wenn man meinen Mann zwei Stunden an die frische Luft schickt, kommt er mit einem riesigen roten Schädel heim. Er müsste eigentlich immer mit Käppi rumlaufen.«
Und diesen Hoeneß soll es nach seinem Ämterwechsel nicht mehr geben? Diesen tobenden, fluchenden Manager? Besenrein will er den Verein zum Jahreswechsel 2009/10 übergeben – sportlich wie moralisch. Eine Übergabe, mit der er vieles abgeben wird? Das korrigiert Hoeneß energisch: »Die Leute machen einen großen Fehler zu denken, ich sei dann weg. Das Gegenteil ist der Fall! Ich werde eng am Team dran sein und mich nach wie vor einbringen und präsenter sein, als das vielen Journalisten lieb ist. Ich gehe doch nicht in Pension!«
Lobbyarbeit will er künftig machen, in der Politik, in den Verbänden, beim DFB und der DFL. Außerdem Kontakte pflegen zu großen Firmen, zu möglichen Sponsoren. Das Aufgabengebiet Nummer drei stellt wohl die größte Herausforderung dar: Schweigen! 2010 werde es von ihm keine Äußerungen zu sportlichen Themen mehr geben. »Am Samstag nach dem Spiel? Null! Am Montag nach dem Spiel? Null!« Ob er das durchhält? In der Hinrunde der Saison 2009/10 sprach er fast nach jedem Spiel mit den Journalisten – mit der Erfahrung des neuen Blickwinkels Tribüne. Dorthin hatte er schon ein Jahr zuvor umziehen wollen, als Jürgen Klinsmann seinen Job antrat. Doch Klinsmann bat Hoeneß, als Ratgeber und gute Seele des Vereins an seiner Seite zu bleiben. Er war der letzte Coach, dessen Unvermögen und zunehmende Hilflosigkeit der Manager hautnah an der Seitenlinie miterlebte. Mit der Verpflichtung von Louis van Gaal wurde die Nachfolgeregelung auch optisch dokumentiert: Christian Nerlinger, seit 1. Juli 2009 Sportdirektor, sitzt unten beim Trainerstab. Hoeneß als zukünftiger Aufsichtsratsvorsitzender oben auf der VIP-Tribüne bei den Funktionären.
»Wenn Uli sich komplett zurückziehen würde, wäre das ein herber Verlust. Aber das wird er nicht tun.« Da kennt ihn Ottmar Hitzfeld zu gut. »Der FC Bayern ist ja sein Kind, sein Werk. Das könnte er nie vernachlässigen. Er wird sich immer einmischen. Dafür ist er viel zu ehrgeizig.«
Loslassen möchte er, zumindest hat er es vor. Spontaner sein, ungezwungener, keine Geißel seines Terminkalenders mehr. Ausflüge machen will er mit seiner Frau. Ganz spontan. »Für so etwas hatte ich 30 Jahre keine Zeit.« Hoeneß hat schon Pläne. »Da fliegen wir mal freitags nach Madrid«, überlegt er laut, »bleiben bis Montag und schauen uns das Spiel gegen Barcelona an.«
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