Highland-Saga 03 - Schild und Harfe
Schuss, bei dem alle erstarrten. Liam und seine Männer, die glaubten, die Soldaten hätten sie angegriffen, schossen zurück. Bei dem darauffolgenden Scharmützel waren zwei Soldaten getötet und drei der Unsrigen verletzt worden. Liams Gruppe war verfolgt worden, hatte aber Zuflucht in den Bergen gesucht und war so einem Massaker entronnen.
Ich ließ mein Haar offen und glitt aus der Kate. Angelockt von dem Gurgeln der Stromschnellen, tat ich einige Schritte auf das Birkenwäldchen zu, das sich mit goldenem Laub schmückte und von dem feinen Nebelschleier umflossen wurde, der das ganze Tal bedeckte. Ich bespritzte mir Gesicht und Hals mit Wasser. Dann setzte ich mich ans Ufer und überließ meine Füße der zärtlichen Berührung der Strömung.
Das unablässige Krächzen der Raben hatte mich geweckt und verdross mich seit dem frühen Morgen. Ich schaute mich nach den Unglücksbringern um. Einer der Vögel saß auf dem höchsten Ast der alten Eiche, in deren Schatten meine Hütte stand, und schien mich anzusehen. Ich tastete im Gras umher, ergriff einen Stein und warf ihn nach dem Vogel, doch der rührte sich nicht.
»Verschwinde!«, stieß ich mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Mach dich davon, du …«
Ich sprach den Satz nicht zu Ende. Eine Bewegung in der Ferne zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich wandte den Kopf und erblickte eine Gruppe von Reitern, die sich näherte. Mein Rücken schmerzte von den langen Tagen, die ich am Webstuhl verbracht hatte, und ich verzog das Gesicht, als ich mich aufrichtete und erhob. Einen Moment lang glaubte ich, die Männer, die im Morgengrauen zur Jagd aufgebrochen waren, kehrten bereits zurück. Dann zog ich die Augen zusammen und erkannte Duncans Mähne, die um seinen Kopf flog. Voller Freude hielt ich Ausschau nach Liams silberfarbenem Haarschopf, doch ich sah ihn nicht. Mir blieb fast das Herz stehen, und ich ballte die Hand zur Faust. Eine entsetzliche Vorahnung presste mir die Brust zusammen und raubte mir den Atem.
»Liam…«, brachte ich heraus. »Wo ist Liam?«
Ich raffte meine Röcke und rannte auf die Gruppe zu, die vor unserer Hütte zum Halten kam. Duncan war abgestiegen und machte sich mit zwei Männern an einem der Pferde zu schaffen. Liams Pferd …
Ich stolperte und fiel. Der Schrecken trieb mir die Tränen in die Augen, und ich sah wie durch einen Nebelschleier. Mein armes Herz schlug wild und drohte auseinanderzubrechen, genau wie mein Leben.
»Liam!«, schrie ich und versuchte aufzustehen.
Meine Röcke behinderten mich, und ich stürzte erneut. Die Männer hörten und sahen mich. Duglas MacPhail, mein Schwiegersohn, kam mir zu Hilfe, während Duncan und die anderen jemanden in die Kate trugen. Wunderschönes silberfarbenes Haar wehte hinter ihm her…
»Liam! Liam!«, kreischte ich voller Panik.
Ich stürzte nach drinnen. Die Männer zogen sich zurück und machten mir den Weg zu meinem Liebsten frei. Duncan, der auf dem Rand seines Lagers saß, erhob sich, als ich hineinkam. Sein Gesicht war grau und schlammbespritzt. Er wandte mir seine geröteten Augen zu und streckte mir eine Hand entgegen … Sie war blutbeschmiert. Ich stieß ein Stöhnen aus.
»Nein …«
Arme umfassten mich und hinderten mich daran, zu Boden zu sinken. Jemand zog eine Bank an das Bett und setzte mich darauf.
»Mutter…«, hörte ich wie in einem Traum, während ich auf ein albtraumhaftes Bild hinuntersah.
Liams Hemd war scharlachrot vor Blut, seinem Blut. Seine Brust hob und senkte sich mühsam, und sein Atem ging mit einem Unheil verkündenden Pfeifen. Er war schwer verwundet.
»Liam…«, sagte ich leise und beugte mich über ihn.
Seine Lider zitterten und öffneten sich langsam. Sein Blick wirkte verschleiert. Trotz meines Entsetzens musste ich ruhig bleiben. Liam brauchte mich; ich konnte jetzt nicht zusammenbrechen.
»Cait … lin, a ghràidh …«, brachte er mühsam hervor und suchte meine Hand.
Unsere Finger verschränkten sich in einem festen Griff. Er seufzte und verzog den Mund zu einem schmerzlichen Ausdruck, bei dem ich die Zähne zusammenbeißen musste.
»Wir sind von einer Abteilung der Garnison von Fort William angegriffen worden«, flüsterte mir Duncan ins Ohr. »Wir wissen nicht genau, was passiert ist, Mutter… Jemand hat geschossen, und dann hat sich alles überstürzt.«
»Wann war das?«, fragte ich und betastete vorsichtig Liams klebriges Hemd. Er stöhnte.
»Vor drei Stunden …«
»Drei Stunden? Dein Vater befindet
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