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Hikikomori

Hikikomori

Titel: Hikikomori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Kuhn
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Brot wellenförmig mit Butter, belegt es mit Mortadella und gibt einen Klecks Dijon-Senf obendrauf. Schon früher hatte er sich geweigert, ins Bett zu gehen, wenn Karola ihm nicht die Brote wellenförmig bestrich und mit Salz bestreute, dass er mit der Zunge darüberfahren und sich das Meer, den Wellengang, die kreisenden Kormorane über ihm, den glühenden Sand unter ihm vorstellen konnte.
    Aus der Küche zurück, stellt Karola den Prosecco Spumante in den durchsichtigen und leicht beschlagenen Flaschenkühler. Sie reichen sich über den Tisch hinweg die Hände zu einem Kreis und wünschen sich »Guten Appetit!«. Bevor Till in sein Brot beißt, zieht er einen Umschlag aus der Hosentasche und schiebt ihn Oskar zu, der sich gerade eine komplette Essiggurke, als wäre das eine heikle Operation, vorsichtig in den Mund führt. Karola gibt vor, sie würde von dem Brief keine Notiz nehmen, als habe so etwas beim Essen nichts verloren. Oskar tupft sich mit der Serviette den Mund ab und nippt ruhig am Saftglas, dann erst entfaltet er den Brief und hält ihn mit ausgestreckten Armen vor das Gesicht. Fast streift er die aus dem Brotkorb herausragenden Brötchen und Baguettes. Till starrt auf die Rückseite des Papiers, das unmerklich in Oskars Händen vibriert. Er ist nicht wie die anderen zum Abitur zugelassen, soll sein Ich neu orientieren , das muss er kein zweites Mal lesen. »Aus reiner Willkür«, sagt Till und schaut kurz zu Karola, die nur den Kopf schüttelt. Es ist sein Freibrief, mit Ihre Frau König, im Namen des Lehrerkollegiums unterzeichnet, eine noch viel schlimmere Sauklaue, wie Till findet.
    Karola trägt vornehmlich schwarze, eng anliegende Stoffe. Mit verschränkten Armen lehnt sie an der Wand. Die Brüste sind wie durch einen Druckverband an den Körper gepresst. In der Hand hält sie das Sektglas, es perlt auf Herzhöhe. Vor dem Fenster zur Straße wippt Oskar auf und ab. Till sitzt noch am Tisch, schaut auf seinen Schoß und dreht den Rand seines T-Shirts, als wäre es Zigarettenpapier.
    »Sag was, Till.«
    Tills Fersen trommeln auf den Teppich. An der Stelle genau über dem Blumenmuster hatte er früher gespielt, dort waren seine Wagen ineinandergekracht, da hinten hatte die Straße aufgehört.
    »T ill, wir reden mit dir!« Karola stellt das Glas auf den Tisch und gleitet auf den Stuhl am Kopfende. »Weißt du«, ihre Stimme klingt, als wolle sie den Anfang einer langen Geschichte erzählen, »du hast immer Zeit bekommen, für dich. Das kannst du keinem vorwerfen. Wir haben immer gesehen, dass du dich weiterentwickelst, auch wenn das für andere nicht den Anschein machte. Du weißt, in dir steckt etwas Besonderes, etwas Einzigartiges, du weißt, das hat nicht jeder. Dies zu fördern ist unser Anliegen, ist uns wichtiger als irgendwelche Leistungsnachweise.« Sie holt tief Luft. »Es ist nicht normal, dass man gleich ein Mischpult, Plattenspieler und solche Aufnahmedinger geschenkt bekommt, nur weil man ein Fünkchen Interesse und Begeisterung für Musik und Komposition an den Tag legt. Erinnerst du dich? Oder als dein Freund Jan zu klettern anfing, du uns nicht einmal zu fragen brauchtest, wir dich gleich mit dem nötigen Equipment versorgten, sofort den nächstbesten Termin bei, wie hieß er noch mal?«
    »Herr Steiger«, antwortet Oskar.
    »Danke, Oskar. Herr Steiger, bei Herrn Steiger vereinbarten, der extra für dich eine Ausnahme machte und dich zu den Kletterwänden für Fortgeschrittene mitnahm, weil da Jan auch schon war. Das sind privilegierte Möglichkeiten der Entfaltung, verstehst du?« Sie trinkt einen Schluck. »Oder als Frau König dich nicht dabeihaben wollte, damals auf der Fahrt nach Carrara, als alle sogar unterschrieben hatten, Till bräuchte eine Auszeit.«
    »Fast alle.«
    »Jan zählt nicht. Der steht immer hinter dir. – Ich will jetzt aber nicht alles aufzählen, worin wir dich unterstützt haben.«
    »Weil dir nichts mehr einfällt.«
    »Also bitte, klar fällt mir noch etwas ein. Da könnte ich ganze Bücher mit füllen.«
    »Dann nenn mir drei Sachen!«
    »Als du zum Beispiel den Segel-Junior machen wolltest, drei Wochen bevor dein erster Törn losgehen sollte, du als Skipper.«
    »Das zählt nicht.«
    »Warum soll das nicht zählen?«
    »Das war doch überhaupt nicht meine Idee.«
    »Gut. Dann das mit dem Finger-Ding.«
    »Fingerboard.«
    »Der halbe Keller ist mit diesen Rampen vollgestopft, die hat Oskar ganze Wochenenden lang zusammengeschraubt, und du hast nur drei

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