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Sein letzter Trumpf

Titel: Sein letzter Trumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Zsolnay Verlag
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    EINS
     
    Als der Wagen nicht mehr weiterrollte, trat Parker die Reste der Windschutzscheibe aus dem Rahmen und kroch, mit der Glock voraus, auf die eingedellte Kühlerhaube hinaus. Er ließ sich nach links gleiten, um dem Baum auszuweichen, der den Seville schließlich mit einem Ruck gestoppt hatte, und horchte. Das Geräusch der Sirene entfernte sich, ein ganzes Stück weiter hangaufwärts. Der Wald stand nach dem Aufprall in starrem Schweigen; jedes Tier im Umkreis von hundert Metern lauschte genauso gespannt wie Parker.
    Niemand kam durch die in die Bäume gerissene Narbe den Abhang herab. Da oben war nur ein einziges Verfolgerauto, irgendwelche Bundespolizisten, die wahrscheinlich genau in diesem Moment mit dem Rest ihres Teams Kontakt aufzunehmen versuchten, immer noch hinter dem Lastwagen mit den Raketen her waren und sich später um das verunglückte Auto zu kümmern gedachten.
    Damit konnte Parker leben. Er ging vorsichtig um den Baum herum, bückte sich und ging an der weniger stark ramponierten Seite des Seville entlang, auf der er neben dem Fahrer gesessen hatte. Das Fenster hatte keine Scheibe mehr; er schaute zu Howell hinein, und der erwiderte seinen Blick mit angstvollen Augen, verzog aber den Mund zu einem Grinsen, das ironisch sein sollte. »Ich bin eingeklemmt«, sagte er und schüttelte den Kopf.
    Parker betrachtete ihn genauer. Querblech, Lenksäule undTür hatten sich um ihn herum gefaltet wie um die Marmelade in einem Krapfen. Er würde es überleben, aber es würde mit zwei Schneidbrennern vier Stunden dauern, ihn da herauszuschneiden. »Du bist im Arsch«, sagte Parker.
    »Hab ich auch schon gemerkt«, sagte Howell.
    Parker versuchte, die Hecktür zu öffnen, deren Fensterscheibe noch intakt war, aber sie klemmte. Er schlug die Scheibe mit dem Pistolengriff ein, langte hinein, packte die Sporttasche am Griff und zog sie heraus. Mit der Tasche in der linken und der Glock in der rechten Hand ging er wieder nach vorn, um noch einmal nach Howell zu sehen, der sich nicht bewegt hatte. Er schaute immer noch zu Parker heraus. Howells fast völlig kahler Kopf war mit blutenden Schnittwunden übersät und mit harten Schweißtropfen genagelt. Er atmete durch den Mund und sah Parker unverwandt an. Seine Beine, sein Rumpf und sein linker Arm waren eingeklemmt, aber den rechten Arm konnte er bewegen. Seine Pistole lag neben ihm auf dem Sitz. Er hätte an sie herankommen können, ließ sie aber liegen, schaute Parker an und atmete mit offenem Mund, und noch mehr Blut und Schweiß sickerte aus seinem kahlen Schädel.
    Parker schulterte die Tasche und hob die Glock hoch. Howell schüttelte den Kopf. »Komm schon, Parker«, sagte er. »Du solltest mich besser kennen.«
    Parker sah ihn nachdenklich an. Er hielt nichts davon, unerledigte Dinge zurückzulassen; manchmal verfolgten sie einen und tauchten irgendwann wieder auf, wenn man versuchte, an etwas anderes zu denken. Er bewegte die Glock leicht und stützte den Lauf auf den Fensterrahmen.
    »Du kennst mich, Parker«, sagte Howell.
    »Und du kennst mich.«
    »Nicht mehr.« Howell lächelte und zeigte dabei seine blutbeflecktenZähne. »Bei dem Unfall hab ich mein Gedächtnis verloren. Ich weiß nicht mal mehr, wer ich selber bin. Alles weg.«
    »Die werden mit dir handeln wollen – wenn du mitspielst, kriegst du weniger Jahre aufgebrummt.«
    »Interessiert mich nicht«, sagte Howell. »Nicht, wenn du da draußen frei rumläufst. Hab ich endlich mal Zeit zum Lesen.«
    Parker überlegte. Er kannte Howell, er vertraute ihm bei der Arbeit, sie hatten sich gegenseitig den Rücken freigehalten, hatten immer ehrlich gezählt, sobald der Jackpot ihnen gehörte. Aber auf lange Sicht?
    Howell zeigte mit dem Kinn auf die Tasche. »Trink ein Bier auf mich«, schlug er vor.
    Parker nickte und kam zu einem Entschluss. »Dann bis in zwanzig Jahren«, sagte er und wandte sich ab, um den Berg hinunterzugehen.
    »Bis dahin bin ich ausgeruht«, rief ihm Howell nach.

 
    ZWEI
     
    Es war ein Haus an einem See namens Colliver Pond, etwa hundert Kilometer von New York entfernt, ein versteckter ländlicher Winkel an der Stelle, wo New York, New Jersey und Pennsylvania zusammenstoßen. Um den See herum lief zwischen den Kiefern hindurch eine schmale Asphaltstraße, und das Haus, aus grauem Stein und braunen Schindeln, stand still und unauffällig zwischen Straße und Ufer. Jetzt im April waren die Bäume noch nicht voll belaubt, und man konnte die mit Schindeln verkleideten

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