Hilf mir, liebes Hausgespenst!
schon deutsch mit mir reden!“
„Keine einzige mitleidige Seele.“
„Ja, findest du dich denn bemitleidenswert? So gut wie du möchte ich es schon lange mal haben. Du brauchst nicht in die Schule zu gehen, kannst Tag und Nacht machen, was du willst und hast nur dumme Streiche im Kopf!“
„Dumme Streiche?“ erwiderte Amadeus jetzt hochmütig. „So würde ich es aber nicht nennen. Je suis spirituel... geistreich.“
Dieses Wort erinnerte Monika an etwas. „Alle guten Geister loben Gott!“ sagte sie reichlich unvermittelt.
Das grüne Licht, das Amadeus ausstrahlte, schwankte ein wenig, wurde schwächer und dann wieder stärker. „Was soll das?“
„Oh, es ist nur eine Formel. Meine Freundin Ingrid, du kennst sie ja, meint, man müßte Geister so begrüßen!“
„Aber ich bin kein Geist!“
„Entschuldige, ich vergaß! Du bist ein Mensch, der über zweihundert Jahre lebt, aber nur zwölf Jahre alt ist, sich sichtbar und wieder unsichtbar machen und, wie ich jetzt sehe, auch von innen heraus leuchten kann.“
„Ja. Aber das ist noch lange nicht alles!“
„Glaube ich dir sogar! Amadeus...“
Er nahm mit elegantem Schwung seine Perücke ab, drehte den Kopf nach allen Seiten, und Monika sah, daß er sich das feine helle Haar zu einem Zopf geflochten hatte.
„Ich trage die Haare jetzt en petite queue!“ erklärte er stolz. „Wie gefällt dir das?“
Monika fand ihn zwar mit offenem Haar hübscher, aber da er offensichtlich stolz auf die neue Frisur war, wollte sie ihn nicht kränken. „Sehr schön! Du siehst überhaupt sehr gut aus, Amadeus! Du bist der attraktivste Junge, den ich kenne!“
Amadeus nahm das Kompliment ohne falsche Bescheidenheit entgegen. „Danke. Monique!“
„Hör mal, Amadeus, was du heute nachmittag unten getrieben hast, war witzig, sehr witzig sogar... von mir aus sogar geistreich. Aber du hättest uns in eine verflixt unangenehme Lage damit bringen können. Wenn Herr Schmücker dich bemerkt hätte...“
„Hat er aber nicht!“
„Weil wir alle zusammen ein Mordstheater aufgeführt haben! Sogar meine Mutter mußte schwindeln, und ich kann dir versichern, daß sie das nur äußerst ungern tut!“
Amadeus stützte das Kinn in die Hand und blickte Monika aus seinen klaren, weit auseinanderstehenden Augen seltsam an. „Du rufst mich immer nur, wenn du mit mir schimpfen willst!“
„Aber das stimmt doch gar nicht!“ verteidigte sich Monika.
„Doch es stimmt!“ beharrte Amadeus. „Denk einmal nach, Monique!“
„Und wenn es so ist, dann kommt es nur daher, weil du dauernd Dummheiten im Kopf hast. Ich hatte solche Angst, Herr Schmücket würde etwas merken und Bodo gleich wieder mitnehmen...“
„Bodo ist ennuyeux!“
„Langweilig, ich weiß schon. Aber für mich ist er nicht langweilig! Ich liebe Pferde, und Bodo ganz besonders!“ Plötzlich bekam sie Angst, Amadeus damit gekränkt zu haben, denn sie wußte inzwischen, wie empfindlich er war. „Natürlich liebe ich Menschen immer noch mehr als Pferde“, verbesserte sie sich hastig, „das ist doch ganz klar! Mit einem Pferd kann man ja nicht sprechen, es kann nicht antworten und...“
Das grüne Licht, das Amadeus ausstrahlte, hatte immer wieder geschwankt, war heller und dann wieder dunkler geworden, als wäre es an eine ungleichmäßig arbeitende Batterie angeschlossen. Jetzt wurde es schwächer und schwächer, und Monika begriff, daß Amadeus im Begriff war, sich unsichtbar zu machen.
„Ärgere Bodo nicht!“ rief sie flehend. „Bitte nicht. Er könnte scheu werden... sich einen Schock fürs Leben holen...“
Von Amadeus war nun nichts mehr zu sehen; in Monikas Zimmer herrschte die gleiche Dunkelheit wie vor seinem Aufscheinen.
Monika ärgerte sich ein bißchen, daß er nicht länger geblieben und nicht bereit gewesen war ihr zuzuhören. Aber dann tröstete sie sich damit, daß es auch ein Gutes hatte. Am nächsten Morgen mußte sie nämlich eine halbe Stunde früher aufstehen, weil sie Stalldienst hatte, und so war es besser, so schnell wie möglich einzuschlafen. Da sie jung und gesund war, gelang ihr das auch trotz aller Aufregungen, die der Tag gebracht hatte.
Ganz von selber erwachte sie rechtzeitig, noch bevor der Wecker klingelte. Sie war schon auf den Beinen, als die Mutter sachte an ihre Tür klopfte.
„Bin schon soweit!“ rief sie.
Ohne sich erst zu waschen, schlüpfte sie in ein paar alte Jeans und rannte die Treppe hinunter. Kaum hatte sie die Haustür aufgerissen, blickte
Weitere Kostenlose Bücher