Himbeersommer (German Edition)
wegen Ines Sorgen mache.“
„Ach ja, tut mir leid, dass ich gar nicht mehr nachgefragt habe, Mensch, Magda …“
„Kein Problem. Es war ja nichts. Sonst hätte ich dich schon längst angerufen. Sie hat sich mit einer Ex-Kollegin getroffen. Um ihr Tipps zu geben wegen ihres Chefs, der sie sexuell belästigt hat. Sie haben einen so schönen Busen, Sie könnten damit ins Fernsehen, hat er gesagt und sie begrabscht.“
„Ach super, ich meine, das ist ja toll für dich, dass Ines nicht so ist wie ein Mann.“
Wir lächeln uns an.
„Tomate?“, fragt Magda und pflückt eine knallrote Cherrytomate ab.
Ich nicke und stecke sie mir in den Mund. Der Geschmack erinnert mich an meine Kindheit im Garten meiner Oma, an Daniels wunderbare Salatkreationen, an Tobias` Fertigpizza, die er immer mit frischen Tomaten verfeinerte.
„Und was willst du nun mit dem Fernrohr?“, fragt Magda und deutet darauf. „Ihn erschlagen?“
„Am liebsten ja. Oder diese impertinente Kuh. Keine Ahnung. Ich will ihn einsam und leidend in unserem Haus sitzen sehen. Oder sehen, wie er unter Patrizia liegt, während sie auf ihm sitzt und die Peitsche schwingt.“ Wir lachen.
„Mmhm, von hier aus kannst du leider nur in euer nördliches Kinderzimmer oder in euer Familienbad schauen. Aber vielleicht liegen sie ja zufällig genau jetzt zusammen in der Badewanne?“
Wir stellen uns in Position. Ich setze das Fernrohr an, das aussieht wie ein altes Piraten-Fernrohr, und versuche, Tobias, der um diese Uhrzeit und dem Audi nach zu schließen, zu Hause sein müsste, ausfindig zu machen. Da! Tatsächlich!
Ein nackter Hintern schiebt sich mir ins Bild. Erschrocken reiße ich das Fernrohr vom Auge, und überlege, ob es sich um einen weiblichen oder männlichen Po gehandelt hat. Ich gucke noch mal.
„Also nackt ist er schon mal.“ Ich identifiziere den Hintern eindeutig als den von Tobias. „Wahrscheinlich kommt sie gleich splitternackt dazu.“
„Das Schwein.“ Magda ist jetzt unsicher, ob Tobias nicht doch hundertmal mieser ist, als er in seinen korrekten Anwaltsanzügen immer aussieht.
Ich setze das Fernrohr erneut an und … sehe seinen knackigen, hübschen Hintern, der gerade in die Badewanne steigt. Alleine. Nur mit Lisas rosa Gummidrachen in der Hand. Tobias lässt den Drachen traurig übers Wasser fahren und wirkt sehr allein.
„Er vermisst uns tatsächlich!“, hauche ich verblüfft, während ich ihn weiter beobachte. „Was macht er denn jetzt?!“
Magda will mir neugierig das Fernrohr aus der Hand nehmen, doch ich wehre sie ab. Tobias ist, mit dem Gummidrachen in der Hand, aus der Wanne gestiegen, sieht ihn an, wirft meinen alten Bademantel über, den ich vergessen habe, schnuppert versonnen daran und verlässt mit ernster Miene triefend den Raum.
„Er hat an meinem Bademantel geschnüffelt! Und jetzt geht er …“
„Ach, echt? Das war aber ein kurzes Bad mit seinem Gummidrachen.“ Magda sieht mich stirnrunzelnd an.
„Hat ihn wohl zu sehr an uns erinnert“, nicke ich und werde sentimental. „Wir haben früher am liebsten zu zweit und seit Lisas Geburt zu dritt gebadet.“
Wehmütig erinnere ich mich an unsere glücklich-stressige Anfangszeit mit Lisa zurück. Und aus der Entfernung überwiegen die glücklichen Momente, und der Schlafhorror der ersten Wochen tritt in erstaunlich weite Ferne zurück.
„Sag mal, mit Daniel, ist es wohl doch nicht so rosig und schön wie erhofft?“ Magda sieht mich an, und mir wird klar, dass sie irgendwie recht hat.
„Es liegt nicht am Alter. Also seinem. Vielleicht an meinem?“
„Wie meinst du das denn jetzt, Nora?“
„Naja, ich schätze, in unserem Alter weiß man einfach, was man will, was einem wichtig ist. Es ist doch mit jedem Typen das Gleiche. Am Anfang ist alles unfassbar romantisch und wenn dann der Alltag oder gar noch ein Kind kommt … Daniel wirkt, als sei ihm alles zu viel. Er macht so viel anders, wie ich es nicht machen würde, wie es Tobias auch nie gemacht hat. Ach, was red ich da …“
„Ich weiß, was du meinst.“ Magda seufzt. „In Erziehungsfragen und Alltagsdingen auf einem Nenner zu sein, ist nicht so einfach. Das muss oft zusammenwachsen. Bei Ines und mir war das zum Glück nie ein Problem. Und ich bin froh, dass ich diese langjährige Beziehung habe. Ich finde es beruhigend und schön, dass da jemand ist, der für einen da ist, auch wenn man immer älter und runzliger und … einbrüstiger wird. Willst du mal meine Brust-Prothese sehen?“
Ich sehe sie überrascht an.
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